Die augenfälligste Besonderheit des nachhaltigen Rechenzentrums: Auf dem RZ-Dach züchtet Windcloud in einem Gewächshaus Algen, geeignet zur Verwendung in Kosmetika oder als Nahrungsergänzungmittel. Die Algen binden CO2 und begrünen damit nicht nur das Ambiente des Konferenzzimmers neben dem Algenpool, sondern auch die CO2-Bilanz der hauseigenen Colocation- und Cloud-Services. Ritter nennt dies „lokale Abwärmeveredelung“: „Das Kühlkonzept ist freie Kühlung. Wir leiten die gesamte Abwärme der Server ins Gewächshaus.“ Dafür sei der nordseenahe Standort hervorragend geeignet: In Enge-Sande sei es zwei Grad kühler als in einer Metropolregion, so Ritter mit mentalem Seitenblick auf den Ballungsraum Frankfurt, wo sich bekanntlich zahlreiche Rechenzentren möglichst nahe um den Internetknoten DE-CIX drängen.
Das Windcloud-RZ beherbergt laut Ritter auf 240 Quadratmetern Grundfläche 28 Racks mit einer Gesamt-IT-Last von 80 kW und 85 kW Abwärme. Mit jüngst noch sieben, demnächst acht Mitarbeitern, so der Windcloud-Chef, versorge man über 200 B2C-Kunden, darunter Schulen und Arztpraxen, zudem acht Colocation- und „über zehn“ Enterprise-Cloud-Kunden. Ans Internet angebunden ist Windcloud laut eigenen Angaben mit 1 TBit/s, die garantierte Hochverfügbarkeit liegt bei 99,95 Prozent für die Cloud-Services und 99,99 Prozent für die RZ-Infrastruktur. Dazu ist das RZ an zwei Trafos angeschlossen: einer des „GreenTEC-Campus“, in dem Windcloud ansässig ist, zudem der lokale Standard-Trafo, beide unter der Ägide des regionalen Netzbetreibers SH Netz.
Mit seinen 240 Quadratmetern ist Wind-cloud im Vergleich zu den Goliaths der Branche ein David – allein Equinix’ neues Griesheimer Rechenzentrum FR8 kommt laut dem Colocation-Giganten auf 4.800 Quadratmeter. Doch dass das RZ in Enge-Sande der Rubrik „klein, aber fein“ angehört, ist nicht nur dem Umstand geschuldet, dass der 2018 gegründete Provider ein Startup-Unternehmen ist: Vielmehr ist auch das Gebäude selbst Teil des Nachhaltigkeitskonzepts. Denn Equinix’ FR8 ist, wie branchenüblich, ein Neubau und hat somit allein dadurch Unmengen grauer Energie verschlungen und entsprechende Mengen CO2 produziert. Windclouds RZ- und Verwaltungsgebäude hingegen war in einem früheren Leben das Offiziersheim des ehemaligen Bundeswehr-Munitionsdepots in Enge-Sande, das heute den GreenTEC-Campus beherbergt. Ein solches „Upcycling“ vorhandener Gebäudestrukturen vermeidet nicht nur einen großen Teil der Kosten, sondern auch des CO2-Ausstoßes eines RZ-Neubaus.