Revolution: Öffentliche Netze aus der Public Cloud
Der US-Anbieter AT&T wagt die Revolution und überträgt Netzwerkfunktionen des öffentlichen 5G-Netzes an Microsoft Azure. Die Entscheidung für diese Technologie bedeutet den Abschied von der klassischen Doktrin, geschäftskritische Systeme niemals außerhalb des eigenen Perimeters zu betreiben. Ob und wie schnell sich dieser Trend allerdings im Datenschutz-sensiblen Deutschland durchsetzen wird, ist fraglich. Dennoch hat auch diese Entwicklung mit dem Thema Sicherheit zu tun: Hintergrund des Cloud-Einsatzes ist einerseits die Angst vor Sicherheitslücken oder „Backdoors“ in proprietären Netzwerkgeräten – insbesondere solchen aus Fernost – und andererseits die Vorteile der Cloud Services von marktführenden Hyperscalern: Nicht nur lässt sich die Sicherheit der offenen Netzwerksoftware in der Private oder Public Cloud sehr gut überprüfen, die Hyperscaler bieten überdies unbegrenzt wirkende Ressourcen und sind beliebig skalierbar. Zudem beschleunigt sich der Aufbau der Netze. Definitiv also ein Trend, den man beobachten sollte!
Edge-Server ersetzen proprietäre Hardware
Eine weitere Entwicklung ist bereits heute absehbar: Auch in Mobilfunkstationen und Ortsverteilern werden in den nächsten Jahren proprietäre Geräte durch sogenannte Edge-Server ersetzt – das sind handelsübliche IT-Server, die besonders für den Außenbetrieb optimiert sind. Auch diese arbeiten auf der Basis von Cloud-Technologien wie Kubernetes und ersetzen ältere Produkte der bekannten Netzwerkausrüster. Hier stehen ebenfalls Sicherheitsbedenken Pate und darüber hinaus Kostenfragen. Bedingt durch ihre weite Verbreitung ist Standard-Hardware deutlich kosteneffizienter als proprietäre Telko-Hardware. Letztere bietet zudem weniger Flexibilität bei der Ausgestaltung von lokalen Services für die angeschlossenen Mobilfunkgeräte: Edge-Server sollen in Zukunft auch für Edge-Computing als Mehrwertdienst eingesetzt werden.
Offener Zugang: Mobilfunk mit Open-RAN
Die klassische Netzwerktechnologie hat die Netzbetreiber in eine gewisse Abhängigkeit von einzelnen Herstellern und ihren Technologien getrieben. Deshalb haben sich einige der großen Telkos in der O-RAN Alliance zusammengeschlossen und propagieren Open RAN (Radio Access Network) als offene Alternative. Basis sind – wie zu erwarten – Standard-Hardware, Virtualisierung, Edge Computing und Cloud-Technologien. Das RAN (Funkzugangsnetzwerk) stellt die Verbindung zu den Endgeräten her, übergibt diese beim Wechsel der Funkzelle, erlaubt den Zugriff auf verschiedene Dienste und leitet die Daten in die Telekommunikationsnetze weiter. Open-RAN soll dies auf der Basis eines offenen Standards als modulare Software virtualisieren.
Die Trends, die wir im Markt beobachten, deuten alle in eine Richtung: Telekommunikationsnetze werden in den nächsten Jahren zu einem Software-basierten Service, der über die Hybrid Cloud – eine Kombination aus Private und Public Cloud – erbracht wird. Entscheidend für den weiteren Erfolg der Telkos werden in Zukunft neue Geschäftsmodelle durch Mehrwert-Datendienste, Edge Computing und andere Services sein. Doch hier liegt auch eine Gefahr: Die Telkos verlieren ihr Alleinstellungsmerkmal als Vernetzungsspezialisten, während Hyperscaler schon bereit stehen und ihre Cloud- und Software-Kompetenz ins Spiel bringen.