Doch woran hakt es im Detail? Einerseits ist es wie so oft eine Frage der Ressourcen. Nach wie vor fließt der deutlich größere Teil des verfügbaren IT-Budgets in die Erhaltung der Systeme, wie eine aktuelle Untersuchung von Capgemini zeigt. Während in Modernisierung und Entwicklung jeweils nur rund 27 beziehungsweise 26 Prozent der Mittel investiert werden, sind es beim Erhalt hingegen 47 Prozent. Wobei dieser Wert laut den Marktanalysten der Durchschnitt aller Unternehmensgrößen ist, im Mittelstand aber noch deutlich höher ausfällt. Gleichzeitig kämpfen viele IT-Abteilungen mit einem notorisch knappen Personalstand. Laut dem Personaldienstleister Gulp hätten viele Unternehmen diesen seit der Wirtschaftskrise 2007 möglichst niedrig gehalten und trotz der wachsenden Anforderungen nicht mehr weiter rekrutiert. Und der Fachkräftemangel tut aktuell sein Übriges, um dafür zu sorgen, dass vielerorts in der IT kaum noch Zeit und Muße bleiben, um neben dem Tagesgeschäft Know-how aufzubauen, sich mit den Fachabteilungen auszutauschen und so letztlich in die neue Rolle hineinzuwachsen.
Andererseits ist aber auch der Wille zum Wandel nicht überall gleich stark ausgeprägt ist. „Wenn ich als MitarbeiterIn über Jahre hinweg Standard-Software eingeführt und gewartet habe, ist der Drang, plötzlich aktiv zentrale Geschäftsprozesse mitzugestalten, eher gering“, sagt Olberg gegenüber funkschau. Und auch Kirsch von Passion4IT erklärt, dass die notwendigen Skills, um den neuen Anforderungen im Zuge der Digitalen Transformation gerecht zu werden, in vielen Unternehmen derzeit „eher noch nicht“ vorhanden sind.
Die Verantwortung für eine noch nicht oder kaum umgesetzte Transformation aber vor allem bei vermeintlich entwicklungsunwilligen IT-Abteilungen zu suchen, würde der Komplexität der Sache Digitalisierung aber nur wenig gerecht werden. Denn sie erfordert interdisziplinäre Strategien, die längst nicht nur die Denk- und Handlungsmuster eines Bereichs umfassen, sondern meist die Struktur des gesamten Unternehmens betreffen. Und bezüglich dieser bereichsübergreifenden Entwicklung fiel Olbergs Urteil in einem Mitte 2018 veröffentlichten Beitrag kaum positiv aus: „Die neue Rolle der IT überfordert Organisationen“, schrieb er und forderte: Die Fachbereiche müssten teilen lernen, die IT gehöre mit ihnen auf eine Stufe und Kompetenzbereiche müssten neu gedacht werden.
Mittlerweile gibt es laut dem Experten aber durchaus positive Beispiele: „Ich erlebe Kunden, die ganz wunderbar Hand in Hand arbeiten und gemeinsam ihr Geschäft erfolgreich digitalisieren. Das sind meist Fachabteilungen, die um ihre Schwächen wissen.“ Sie würden akzeptieren, dass sie von den Stärken und Erfahrungen der IT-Kolleginnen und -Kollegen profitieren können. Das sei besonders der Fall, wenn die IT für Skaleneffekte sorgen kann, indem man gemeinsam aus Projekten mit den Nachbarabteilungen Lösungselemente wiederverwenden kann. „Die eigentliche Forderung sollte aus meiner Sicht jedoch sein, in der Ausgestaltung von Produkten und Projekten gar nicht mehr in Fach- und IT-Bereich zu denken, sondern Digital-Kompetenzen dort zu verankern wo die Wertschöpfung, die heute nun mal oftmals digital ist, gestaltet wird: im Fachbereich.“