Kundenzentriertheit ist der Schlüssel zur Kundenbegeisterung. Der einfachste Teil dabei ist der Einsatz von Technik, die den kundenzentrierten Wandel ermöglicht. Eine größere Herausforderung stellt das entsprechende Mindset dar.
Die Priorität der Customer Experience (Kundenerfahrung) erkennen immer mehr Unternehmen. Bereits etabliert hat sich deshalb beispielsweise im Vertrieb vieler Firmen die Kundenzufriedenheit als Messgröße. Das hat seinen Grund. Denn Zufriedenheit erwächst längst nicht mehr aus der Produktqualität allein, sondern aus dem gesamten Erlebnis, das ein Kunde mit dem Anbieter hat. Das bestätigen 84 Prozent der Befragten einer weltweiten Salesforce-Umfrage „State of the Connected Customer“ aus dem Jahr 2019. Zwei von drei Teilnehmern geben dabei an, für eine exzellente Erfahrung tiefer in die Tasche greifen zu wollen als für das gleiche Produkt eines Anbieters, der diese Kunst nicht beherrscht. Ein Weckruf für jedes Unternehmen, das immer noch an Abteilungsgrenzen festhält.
Die Suche nach der Quelle des Wohlfühl-Faktors für den Kunden gestaltet sich vergleichsweise einfach. Den menschlichen Touch abseits vom Produkt liefern diejenigen, die direkt mit der Kundschaft in Kontakt stehen, allen voran Vertrieb, Service und Marketing. Dabei ist es dem Kunden egal, wo die jeweiligen Zuständigkeiten liegen und welche Abteilung ihn verärgert oder glücklich macht. Es ist der Job jedes einzelnen Mitarbeiters, Kunden zu begeistern.
Und hier sitzt auch des Pudels Kern: Denn Kundenzentriertheit, der Schlüssel zur Kundenbegeisterung, beginnt von innen. Unternehmen – in weiten Teilen etwa die fertigende Industrie – sind bislang sehr gut mit folgendem Ansatz gefahren: Liefere ich ein einwandfreies Produkt, ist der Kunde zufrieden. Ist er einmal nicht zufrieden, regelt das der Kundendienst. Die Karten wurden jedoch mit der Digitalisierung neu gemischt. Der Kunde ist informierter und mächtiger als je zuvor. Zudem erfinden digitale, oft branchenfremde Neustarter Produkte, Services und Kundenerfahrungen neu. Und sobald Kunden diese neue, digitale Erfahrung einmal mit einem Anbieter gemacht haben, ist der Benchmark gesetzt. Wer die Erwartung dann nicht ebenso erfüllt, setzt eine bisweilen jahrzehntelange Kundenbeziehung aufs Spiel.
Es gibt eine oft erzählte Anekdote aus den Hallen des bislang kaum angefochtenen Champions der Kundenzentrierung: Angeblich bestand Amazon-Chef Jeff Bezos stets darauf, in allen Amazon-Meetings einen Stuhl freizulassen – für den so repräsentierten imaginären Kunden. Sinn der Übung: Dem unsichtbaren Kunden jede Idee und jede geplante Entscheidung zu spiegeln. „Haben wir verstanden, was Du brauchst? Was Du willst? Ist das die richtige Reaktion auf Deine Frage, die passende Lösung für Dein Problem?“ Lautet die Antwort ja, wird sie ausgeführt.
Wandel beginnt im Denken
Diese kleine Episode verdeutlicht den übergeordneten Gedanken, quasi das Mindset, das einem kundenzentrierten Business zugrunde liegt. Dieses Mindset zu erreichen, gehört zu den größten Herausforderungen. Nicht viel einfacher ist es dann, es in die Köpfe der Menschen und in die Prozesse und Kultur der Organisation zu bringen. Und zu guter Letzt folgt – als eigentlich einfachster Teil – der Einsatz der Technik, die den kundenzentrierten Wandel ermöglicht.
Anschaulicher wird das Phänomen anhand der Funktionsweise des Kundenservice, der im klassisch produktzentrierten Status quo genau genommen lediglich die Rolle der Schadensbegrenzung zukommt. In einem kundenzentrierten Unternehmen ist der Service jedoch eine wertschöpfende Leistung, die nahtlos mit allen Kunden-Berührungspunkten verbunden ist. Er ist nicht nur darauf fokussiert, dem Kunden zu helfen, sondern auch darauf, das ursprüngliche Werteversprechen des Unternehmens störungsfrei zu erfüllen – im Falle gefertigter Produkte zum Beispiel durch intelligente, vorausschauende Wartung.
Angesichts der steigenden Bedeutung des Service wird die Aufgabe der Mitarbeiter als eine der primären Schnittstellen zum Kunden immer wichtiger. Deshalb investieren laut dem „State of Service Report 2019“ 76 Prozent der befragten Verntwortlichen in Trainings für die Service-Teams. Denn in einem kundenzentrierten Unternehmen verlagern sich die Pflichten von Servicemitarbeitern – weg von den Routineaufgaben wie Passwort-Resets hin zur persönlichen Beziehungspflege und zu werthaltigen Beiträgen zum Umsatz. Darüber hinaus kann ein kundenzentriertes Unternehmen, auf Basis seines tiefen Einblicks in Kunden- und Nutzungsverhalten, neue Dienste anbieten, die der Kunde als wertschöpfend empfindet. Für einige dieser Dienste – von Beratungs- über Optimierungs- bis zu Abo-basierten Full-Service-Leistungen – wird der Kunde gern bezahlen wollen. Ein deutsches Unternehmen in den USA hat diese Herangehensweise vorgemacht: So hat T-Mobile dort die landesweit agierenden Abteilungen aufgelöst und stattdessen sogenannte Teams of Experts geschaffen. Sie sind lokal angesiedelt und arbeiten in kleinen Gruppen Hand-in-Hand zusammen – egal, ob es um Bestellungen, Reklamationen, Vertragsverlängerungen, technischen Support, Neukundengewinnung oder jedes andere denkbare Anliegen geht.
Dabei sind die Teams buchstäblich um den Kunden herum gebaut; jeder weiß Bescheid, dank entsprechender Technologie haben alle freie Sicht auf jede Information. Weiterleitungen von Warteschleife zu Warteschleife und andere unschöne Erfahrungen, die wohl jeder deutsche Mobilfunkkunde kennt, sind T-Mobile-Kunden in den USA inzwischen fremd. Der Erfolg gibt ihnen recht: Der NPS (Net Promoter Score), also die Weiterempfehlungsrate, hat sich seit der Umstrukturierung nach eigenen Angaben des Unternehmens um über 60 Prozent erhöht. Die Kündigungsrate ist um fast 40 Prozent, die Gesamtkosten für den Service sind um 26 Prozent gesunken.Kundendienst-Optimierungsexperten brauchen starke Nerven
für die letzte, wohl überraschendste Kennzahl in der Erfolgsbilanz.
Denn die Bearbeitungszeit eines Vorgangs ist in der gleichen Zeit um 45 Prozent gestiegen. Ein Albtraum für den Kundendienstleiter eines produktzentrierten Unternehmens – gilt es doch traditionell, die lästige Schadensbegrenzung so schnell und billig wie nur möglich
abzuhandeln. Dabei wird deutlich: Es bedarf nicht nur gemeinsamer, sondern vor allem neu gedachter erfolgsbestimmender KPIs. Dabei verlagert sich die Rolle des Kundenservice hin zu echten Helfern des Kunden und somit wichtigen Markenbotschaftern eines Unternehmens.