Auf der SAP-Bilanzpressekonferenz Ende Juli skizzierte SAP-CEO Christian Klein die weitere Marschroute. So sollen neueste Innovationen von SAP künftig nurmehr in der Cloud verfügbar sein. Im Hinblick auf S/4 Hana könnte das On-Premises-Kunden ausbremsen.
Bei der Pressekonferenz vom 20. Juli, die Aufzeichnung ist im Web nachzuhören, führte Christian Klein, CEO und Mitglied des Vorstands bei SAP, aus, dass Innovationen wie Künstliche Intelligenz, generative KI, Nachhaltigkeitsfeatures oder größere Funktionsbausteine künftig nur noch in der Cloud zur Verfügung gestellt werden sollen. Innovationen sollen über Rise-with-SAP und Grow-with-SAP-Verträge erhältlich sein. Dies schließt nun einerseits On-Premises-Kunden von solchen Innovationen aus; laut Deutschsprachiger SAP-Anwendergruppe (DSAG) betrifft dies andererseits aber auch Unternehmen, die eine gehostete Hyperscaler-Implementierung außerhalb von Rise with SAP verwenden.
Bei der DSAG zeigt man sich ob dieser Ankündigungen enttäuscht: „Aus DSAG-Sicht ist das eine 180-Grad-Wende zu den bisherigen Äußerungen“, so Jens Hungershausen, DSAG-Vorstandsvorsitzender. „SAP hatte zuvor behauptet, Verbesserungen nicht auf cloudbasierte Angebote beschränken zu wollen.“ Die Aussage sehe Hungershausen als Paradigmenwechsel. „Eine Cloud-first-Strategie von SAP könnten wir verstehen. Cloud-only ist aus unserer Sicht jedoch weiterhin keine Option“, so Hungershausen.
Und so lautet konsequenterweise die DSAG-Forderung, dass alle Innovationen für die S/4Hana Public Cloud oder Private Cloud mit identischem Leistungsumfang für S/4Hana On-Premises zur Verfügung gestellt werden sollen.
Zumal die DSAG den Software-Hersteller auch schon Anfang des Jahres dafür kritisiert hatte, die On-Premises-Kunden nicht genug im Blick zu haben und sich zu sehr auf cloudbasierte Innovationen und Angebote zu konzentrieren. Wer bisher auf S/4Hana On-Premises gesetzt habe, „gerät durch die neue SAP-Strategie ins Hintertreffen“, sagt Hungershausen und ergänzt: Kunden, die in S/4Hana On-Premises investiert haben, könnten „nun den Eindruck gewinnen, Millionen verschwendet zu haben.“
Sebastian Westphal, DSAG-Technologievorstand, ergänzt: „Mit der Bekanntgabe der ursprünglichen Wartungsverlängerung bis 2040 hatte SAP ebenfalls zugesichert, Innovationen für S/4Hana bereitzustellen und Kunden damit Stabilität versprochen. Aus Kundensicht stellt sich jetzt allerdings die Frage: Was ist diese Wartungs- und Innovationszusage ohne die genannten Bereiche wert, wenn das System nicht kontinuierlich mit Innovationen versorgt und damit am Bedarf der Unternehmen vorbeientwickelt wird?“
Dass die Entwicklung vieler Unternehmen in die Cloud geht, ist mittlerweile vielerorts Realität geworden. Doch ob dabei nur das ein oder andere Collaboration-Tool aus der Cloud kommt oder auch die großen Unternehmenssysteme, ist eine andere Sache. ERP-Systeme werden gemeinhin als Rückgrat von Unternehmen bezeichnet. Hier ist alles erfasst – vom Personal über Rohstoffe und Maschinen bis hin zum Kapital. Wenn Unternehmen zögern, bei einem solchen System von On-Premises auf die Cloud zu wechseln, mag das verständlich sein.
Diese Zurückhaltung scheint auch bei SAP-Kunden vorzuherrschen. So gibt der jährliche Investitionsbericht der Deutschsprachigen SAP-Anwendergruppe (DSAG) einen Einblick in die technologischen Fortschritte und technologische Reife der SAP-Anwenderunternehmen. Was die Digitale Transformation generell betrifft, hat sich demnach zwischen 2021 und 2023 offensichtlich nicht viel getan (siehe Grafik 1). Die Mehrheit (52 Prozent) der befragten Unternehmen schätzen sich als „Nicht sehr weit“ fortgeschritten ein (2021: 50 Prozent). In dieser Gruppe gab es somit sogar eine leichte Steigerung. „Das spricht dafür, dass die Unternehmen während der Pandemie andere Prioritäten gesetzt haben und vielleicht auch angesetzte Digitalisierungsprojekte zunächst aufgrund der existierenden Unsicherheiten zurückgestellt hatten“, kommentiert Hungershausen diese Entwicklung.
Für den Investitionsbericht wurde auch nach den eingesetzten SAP-ERP-Lösungen gefragt (Grafik 2). Hier liegen SAP Enterprise Resource Planning beziehungsweise die SAP Business Suite – also Vorgängerprodukte von SAP S/4Hana – mit 79 Prozent (2022: 75 Prozent) deutlich in Führung vor S/4Hana On-Premises mit 41 Prozent (2022: 32 Prozent). Es folgen S/4Hana Private Cloud mit 8 Prozent (2022: 6 Prozent) und S/4Hana Public Cloud mit 3 Prozent (2022: 2 Prozent).
„Für S/4Hana-Projekte im Besonderen und Transformations-Projekte im Allgemeinen gilt: Je nach Komplexität können Migrationsprojekte mehrere Jahre in Anspruch nehmen. Eine echte Transformation erfordert, dass neue Technologien evaluiert und eingeführt, sowie Prozesse neu gedacht werden“, so Hungershausen.
SAP selbst wollte sich auf schriftliche Nachfrage von connect professional nicht weiter zu einzelnen Aspekten äußern. Es wurde lediglich ein allgemeines Statement zur Verfügung gestellt: „Unternehmen sind heute mit einem unbeständigen makroökonomischen Umfeld und Märkten konfrontiert, die hohe Flexibilität verlangen. Um unter diesen Bedingungen wettbewerbsfähig zu sein, kommen Kunden um die Cloud nicht herum. Sie bietet die einzige Möglichkeit, Innovationen schnell und flexibel bereitzustellen. Aus diesem Grund werden unsere neuesten Innovationen – wie die Funktionen rund um Green Ledger und generative KI – nur in der Cloud verfügbar sein, und zwar über RISE und GROW with SAP. Im September geben wir weitere Details zu Programmaktualisierungen bekannt, die es Cloud-Kunden noch einfacher machen, diese Innovationen zu übernehmen.“
Der Fokus auf Cloud-Kunden in puncto Programmaktualisierungen und Innovationen bestätigt sich somit in diesem Statement. Laut DSAG haben die Anwendergruppe und der Software-Konzern Gespräche aufgenommen. Es bleibt also abzuwarten, was die Ergebnisse davon sein werden.