Planen Unternehmen die Datenwertschöpfung strategisch, konzentrieren sie sich oft auf technische Aspekte rund um BI (Business Intelligence) und KI, Data Lakes und Data Warehouse, Cloud-Lösungen und den On-Premises-Betrieb von Anwendungen. Das ist naheliegend, weil die Auswahl von Techniken und Lösungen richtungsweisend ist – immerhin sollen diese zu allen künftigen Projekten passen. Was aber bringen die fortschrittlichsten Plattformen und Tools, wenn Unternehmen nach den initialen Projekten keine weiteren Anwendungsfälle generieren oder die Mitarbeiter den Empfehlungen ihres KI-Systems nicht vertrauen? Eine Datenstrategie deckt deshalb neben den Techniken auch die Dimensionen Prozesse, Organisation und Mitarbeiter sowie Daten ab. Schließlich geht es perspektivisch um einen transformativen Prozess hin zum datengetriebenen Unternehmen.
Auf Prozessseite geht es darum, die Datenorientierung fest im Unternehmen zu verankern und neue Prozesse für die kontinuierliche Generierung, Bewertung und Umsetzung von Anwendungsfällen zu schaffen. Bei der Bewertung sollten Unternehmen nicht allein auf Kosten und Nutzen schauen, sondern auch die Machbarkeit im Auge behalten. In der Anfangszeit lohnt es, den Fokus auf Projekte zu legen, die sich mit überschaubarem Aufwand umsetzen lassen. Diese liefern neben wertvollen Erfahrungen für weitere Projekte auch Erfolgserlebnisse, die die Mitarbeitermotivation erhöhen und die Akzeptanz der neuen Initiativen steigern.
Organisatorisch ist die Benennung eines Datenverantwortlichen ein wichtiger Erfolgsfaktor. Diese häufig Chief Data Officer (CDO) genannte Führungskraft benötigt umfangreiche Kompetenzen und Ressourcen, um alle Aktivitäten voranzutreiben und zu koordinieren. Idealerweise handelt es sich nicht um den CIO oder CTO – das könnte das falsche Signal senden, dass die Interessen der IT-Abteilung im Vordergrund stehen oder dass die IT-Abteilung für die Daten und ihre Pflege verantwortlich ist. Unter einem unabhängigen Experten gelingt die Zusammenarbeit der interdisziplinären Teams eher und die Anforderungen der Fachbereiche lassen sich besser umsetzen. Deren fachliche Probleme sollen die Datenprojekte schließlich lösen, daher sind sie auch für die korrekte Erfassung ihrer Daten sowie die Qualitätssicherung und Aufbereitung für Analysen zuständig.
Ebenfalls in den Bereich der Organisation fällt die Unternehmenskultur, deren Veränderung sicher am meisten Geduld verlangt, da datengetriebene Organisationen nicht über Nacht entstehen. Durch erfolgreiche Leuchtturmprojekte und Schulungen lässt sich jedoch die Datenkompetenz der Belegschaft immer weiter erhöhen. Ziel ist, dass Mitarbeiter aller Hierarchieebenen altes Entscheidungsverhalten – etwa auf Basis vermeintlicher Erfahrungswerte oder nach Bauchgefühl – ablegen und künftig alle wichtigen Entscheidungen anhand von Erkenntnissen treffen, die auf Daten basieren.
Die Dimension Daten umfasst unter anderem das Daten-Management sowie Data Governance, um sicherzustellen, dass alle Daten sicher, zuverlässig und entsprechend den vielfältigen internen sowie externen Regularien gespeichert und verarbeitet sind. Darüber hinaus lassen sich hier datenbezogene Fragen klären, etwa wer für die jeweiligen Datendomänen verantwortlich ist, ob die vorhandenen Daten für die Umsetzung der ausgearbeiteten Anwendungsfälle genügen, ob sich fehlende Daten aus anderen Datenquellen beschaffen lassen und wie man die Datenqualität verbessern kann.
Eine Datenstrategie ist keine Stangenware
Da jedes Unternehmen individuelle Ziele mit der Datenwertschöpfung verfolgt und andere Rahmenbedingungen aufweist, sollte eine Datenstrategie maßgeschneidert sein. Fertige Schablonen, die man dem Unternehmen einfach überstülpen kann, gibt es nicht. Allerdings kann es hilfreich sein, externe Fachleute hinzuziehen, die Erfahrungen und Best Practices aus zahlreichen Unternehmen und Projekten mitbringen. Diese Spezialisten wissen, was funktioniert und was nicht und wie sich Veränderungsprozesse im Unternehmen erfolgreich gestalten lassen. Ohne den neutralen Blick von außen und bewährte Konzepte gerät das Change-Management oft ins Stocken, weil Mitarbeiter und Führungskräfte nicht für Veränderungen bereit sind oder zu sehr im Tagesgeschäft feststecken.
Ist die Datenstrategie etabliert und für das Unternehmen – wie IT- und Cloud-Strategie – ganz selbstverständlich, fällt es ihm leicht, Mehrwerte aus Daten zu generieren und immer wieder neue Anwendungsfälle umzusetzen. Noch stehen die meisten Unternehmen aber ganz am Anfang dieser Reise.
Dr. Jens Linden ist Data Strategy Lead im Inform DataLab.