Gegenentwurf zu Cloud-Giganten

Vorteile eines dezentralen Cloud-Speichers

22. Januar 2024, 14:47 Uhr | Autor: Kai Wawrzinek / Redaktion: Lukas Steiglechner
© kras99 / AdobeStock

Um der Abhängigkeit von großen US-Cloudanbietern entgegenzuwirken, braucht es andere Modelle zur Datenspeicherung. Ein dezentrales System kann hier Vorteile schaffen – vor allem für kleine und mittlere Unternehmen.

Die Cloud-Infrastruktur, von der sich Nutzer endlose Skalierbarkeit und Kosteneffizienz versprochen haben, stößt an ihre Grenzen. Das wirkt sich nachteilig auf das Wachstum und die Digitalisierung der Unternehmen aus. Bestehende Cloud-Lösungen können für viele Unternehmen mit dem exponentiellen Datenwachstum einfach nicht mehr Schritt halten und auch die Kosten ufern aus. Grund dafür ist das Cloud-Modell der dominierenden Anbieter, das anfängt, Schwachstellen aufzuweisen, die Unternehmen in Europa und weltweit in eine eher schwierige Lage bringen.

Mit einem dezentralisierten Modell könnte die Cloud neu gedacht werden. Dabei können mehrere Vorteile erreicht werden: steigende Kosten werden eingedämmt, die Leistung in Bezug auf die Geschwindigkeit des Datenabrufs verbessert sich und Unternehmen sowie staatliche Behörden erhalten ihre digitale Privatsphäre zurück. Legen Nutzer ihre Daten bei einem US-Anbieter ab, der dem CLOUD Act (Clarifying Lawful Overseas Use of Data Act) unterliegt, und das sind so gut wie alle, müssen diese den US-Behörden – sollte es hart auf hart kommen – Zugriff auch auf Daten gestatten, die sie im Ausland speichern. Damit ist nicht nur formal die DSGVO verletzt – es widerstrebt auch den meisten Menschen, dass Nachrichtendienste oder ähnliche Organisationen willkürlich die eigenen Daten einsehen können.

Dezentral für KMU

Die gängigen Cloud-Lösungen werden den dynamischen Anforderungen eines wachsenden Unternehmens oft nicht gerecht, vor allem in Bezug auf Kosten und Leistung. Die Dominanz der amerikanischen Cloud-Anbieter führt zu einer unverhältnismäßig großen Marktmacht und treibt so die Kosten in die Höhe.

Eine solche Situation stellt eine enorme Herausforderung für kleine und mittlere Unternehmen dar. Sie sehen sich wachsenden Datenmengen förmlich ausgesetzt, haben aber oft keinen Zugang zu erschwinglichen und effizienten Speicherlösungen. Diese Diskrepanz kann die Unternehmensleistung schnell beeinträchtigen. Wenn beispielsweise die Datenmenge wächst, entsteht eine Datengravitation, die mehr Dienste und Anwendungen benötigt. Das heißt, je größer diese Datenmengen werden, desto mehr Inhalte müssen bei Abfragen durchsucht werden. Dieses Datenvolumen kann dann die Antwortzeit verzögern und sich negativ auf die Integration, Leistung, Skalierbarkeit, Datenverwaltung und -sicherheit auswirken. Das Verlagern von Daten wird kostspielig und das Speichern in der Nähe des Netzwerkrandes unerlässlich, um schnelle Reaktionszeiten gewährleisten zu können.

Das derzeitig vorherrschende Cloud-Modell ist nicht darauf ausgelegt, den wachsenden Bedarf an erschwinglicher, skalierbarer Datenspeicherung am Netzwerkrand zu decken. Allein in diesem Jahr werden die weltweiten Cloud-Ausgaben voraussichtlich 576,5 Milliarden Dollar erreichen, während es den CIOs immer schwerer fällt, die Kosten zu stemmen. Darüber hinaus sind Unternehmen, die auf diese Systeme angewiesen sind, mit versteckten Kosten konfrontiert. So zum Beispiel API-Aufrufe, sogenannte Integrationen, für die Big-Tech-Cloud-Lösungen Gebühren erheben können. Aber auch Datenegress kann der Grund dafür sein, dass die Datenmigration und -anpassung teurer und komplexer werden.

Eine Alternative: Erstens, ein verteiltes Netzwerk aus vielen zertifizierten Rechenzentren, das wachsende Datenmengen angemessen bewältigen kann. Anstatt alle Daten an einem Ort zu speichern, werden diese verteilt. Das traditionelle Modell verfügt über viel ungenutzten Speicherplatz, weil die Rechenzentren für die Bewältigung von Nachfragespitzen optimiert sein müssen. Das heißt, in Zeiten ohne Nachfragespitzen bleiben Kapazitäten einfach ungenutzt. Ein dezentralisiertes Modell vermeidet dieses Problem, indem es die noch freien Kapazitäten von mehreren Rechenzentren und nicht nur von einem einzigen nutzt. Zweitens ein hyperkompetitiver Markt für dezentralisierte Cloud-Dienste, der über die notwendigen korrigierenden Marktmechanismen verfügt, um die Preise niedrig zu halten.

Die meisten KMUs stehen also vor einer Entscheidung: Entweder sie verlagern zumindest einen Teil ihrer Daten in eine dezentralisierte Cloud oder sie kehren zu On-Premises-Lösungen zurück. Das setzt europäische Unternehmen aufgrund zusätzlicher politischer Bedenken unter noch größeren Druck.

Die Privatsphäre der Nutzer und die digitale Souveränität schützen

Die digitalen Grenzen zwischen den Ländern verschwimmen zusehends. Die Sorge wächst, dass die Bürger, Unternehmen und Mitgliedstaaten der Europäischen Union allmählich die Kontrolle über ihre Daten verlieren. Es besteht also eine dringende Notwendigkeit an technologischer Souveränität, insbesondere in kritischen Bereichen wie der Cloud-Speicherung sensibler oder persönlicher Daten. Das dem so ist, unterstreicht das jüngste Gesetz von der Europäischen Kommission zur Bewältigung der politischen Herausforderungen durch globale Tech-Giganten wie auch der Fokus von Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen auf die Digitalpolitik.

Diese Politik stellt Unternehmen, die europäische Daten verarbeiten, jedoch vor ein Dilemma. Einerseits bieten effiziente Cloud-basierte Anwendungen einen entscheidenden Wettbewerbsvorteil. Andererseits riskieren in Europa tätige Unternehmen die Nichteinhaltung der Vorschriften, wenn sie diesen Großunternehmen die Kontrolle über oder den Zugriff auf ihre Daten überlassen. Denn bei den führenden Cloud-Anbietern handelt es sich für gewöhnlich um US-amerikanische Tech-Giganten, die die Datenhoheit ablehnen.

Diese Probleme beschränken sich auch nicht nur auf Europa. Länder auf der ganzen Welt führen entsprechende Maßnahmen ein. Die transatlantische Datenschutz-Rahmeninitiative der USA beispielsweise zielt darauf ab, Bedenken hinsichtlich der digitalen Souveränität auszuräumen. Obwohl viele solide Gesetze noch ausstehen, sollten sich Organisationen auf strengere Vorschriften einstellen, die entweder klarere Regeln für den Datenfluss zwischen den Ländern vorsehen oder sogar die Datenschutzrechte der DSGVO aufgreifen, wie es der California Consumer Privacy Act macht.

Ohne leistungsfähigere und kosteneffizientere Alternativen, die eine bessere Einhaltung der Datenschutzvorschriften ermöglichen, bleibt die Unabhängigkeit von den relativ unregulierten US-amerikanischen Mega-Cloud-Unternehmen in weiter Ferne. Die Dezentralisierung der Cloud hingegen bietet eine kosteneffiziente Lösung ohne Konzerndominanz, aber auch nur, wenn Unternehmen weltweit sie annehmen.

Die Zukunft der Cloud ist dezentralisiert

Die global erzeugten, erfassten, kopierten und verbrauchten Datenmengen werden bis 2025 voraussichtlich 181 Zettabyte (181.000.000.000 Terabyte) erreichen. Das momentane Cloud-Modell ist nicht in der Lage, diesen Anstieg zu bewältigen. Und ohne eine Änderung riskieren Unternehmen höhere Kosten, größere Komplexität, schlechtere Leistung und europäische Unternehmen außerdem erhöhte Compliance-Risiken.

Die dezentralisierte Cloud-Technologie wird die digitale Speicherung und Datenverwaltung revolutionieren. Sie verspricht reale Vorteile wie erhöhte Sicherheit durch die Beseitigung einer einzigen Fehlerquelle, verbesserte Leistung durch das Verhindern von Engpässen, größere Skalierbarkeit, niedrigere Kosten und – was vielleicht am wichtigsten ist – Unternehmen werden unabhängig von den großen Cloud-Anbietern.

Änderungen einzuführen, insbesondere in der Technologieinfrastruktur, kann entmutigend wirken. Der Übergang zu einer besseren, dezentralisierten Cloud muss jedoch weder riskant noch komplex sein: Er kann auf die Bedürfnisse eines Unternehmens zugeschnitten werden und schrittweise erfolgen, und erfordert nur geringe Anfangsinvestitionen, bietet dafür aber sofortige Vorteile. Es ist wichtig, dies wirksam zu kommunizieren, damit die Unternehmen diese Technologie als echte Lösung für die bedeutende Datenspeicherkrise in Europa – und weltweit – begreifen.

Kai Wawrzinek, CEO und Mitgründer von Impossible Cloud


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