Abseits der Unterhaltungsindustrie experimentiert der Handel heute schon mit den neuen Möglichkeiten, die VR ihm bietet. Wer das Produkt erleben kann, greift eher zu, so der Gedanke der Marketing-Abteilungen. Das hat die Automobilbranche schon lange vor dem digitalen Zeitalter erkannt, die Probefahrt vor dem Kauf ist Usus. Aber was, wenn der Händler das Modell mit der individuellen Wunschausstattung des Kunden nicht im Autohaus hat? Mit VR ist der Traumwagen trotzdem erlebbar, inklusive virtuellem Probesitzen und Außenansicht.
Audi hat als erster Hersteller ein Pilotprojekt gestartet und vier seiner Premium-Händler mit VR-Technologie ausgestattet. Mit der „Audi VR Experience“ sollen Kunden den Weg zurück ins Autohaus finden, anstatt nur die online verfügbaren Konfiguratoren zu nutzen. Verkäufer können so vor Ort besser beraten – und eventuell auch mehr Ausstattung verkaufen. Fazit eines Audi-Händlers: Die Kunden fühlen sich sicherer bei ihrer Entscheidung für eine Farbe oder Ausstattungsdetails, die Umsätze bei Sonderausstattungen sind gewachsen.
Auch das schwedische Einrichtungshaus Ikea testet derzeit die Möglichkeit, den Möbelkauf mit VR deutlich zu vereinfachen. Im virtuellen Ikea-Showroom in Berlin-Lichtenfelde stehen mehrere VR-Headsets zur Verfügung, um ein virtuelles Wohnzimmer passend einzurichten. Noch ist das Projekt ein Prototyp, der allerdings zahlreiche Anpassungen erlaubt. Materialien, Texturen und Farben lassen sich auf Knopfdruck ändern – und ein Tageszeitwechsel ermöglicht es, die Produkte in unterschiedlichen Lichtstimmungen zu vergleichen.
2016 stellte Ikea zudem eine App vor, die die virtuelle Planung einer neuen Küche ermöglicht. Die Funktionen der App, die für ein HTC-Headset programmiert wurde, reichen dabei weit. Sogar ein Perspektivwechsel ist möglich: Zwischen Kinder- und Erwachsenengröße kann der Nutzer hin- und herschalten. Das ursprünglich bis August 2016 vorgesehene Projekt wurde bis Dezember verlängert, seitdem wird die App laut der Ikea-Pressestelle nicht mehr gepflegt. Die Zukunftsforscher von Ikea werten wohl derzeit das Feedback der freiwilligen Küchenplaner aus.
Auch 360-Grad-Bilder und -Filme werden im Verkaufsgespräch eingesetzt, um den Kunden zu überzeugen. Zum Beispiel in der Tourismusbranche. Ist das Wohnzimmer der Ferienwohnung groß genug für die sechsköpfige Familie? Reicht mir eine Innenkabine auf dem Kreuzfahrtschiff oder soll es doch lieber die Außenkabine mit Veranda sein? Wo ein Foto im Katalog oder auf der Website des Reiseveranstalters nur begrenzten Einblick bietet, erleichtert VR die Entscheidung. Die Firma Diginetmedia erstellt virtuelle 360-Grad-Rundgänge von Kreuzfahrtschiffen und Hotels. So können sich die Kunden schon im Reisebüro mit VR-Brille und Smartphone ausgestattet ein realistisches Bild von ihrem Feriendomizil machen, oder auf der heimischen Couch den Ausblick vom Kabinenbalkon des Kreuzfahrtschiffes genießen.