Rudolf Linsenbarth, Payment-Experte und Senior Consultant bei Cocus: "Seit Jahren sinkt der Bargeldanteil im deutschen Einzelhandel. Durch den vermehrten Einsatz von Karten liegt er mittlerweile nur noch bei rund 50 Prozent. Nun kommt verstärkt das Bezahlen mit dem Smartphone etwa per Mobile-Wallet hinzu. So stellt sich unweigerlich die Frage: Hat Bargeld bald ausgedient?
Eher nicht. Allerdings werden wir in den nächsten zwei Jahren die ersten Geschäfte erleben, die sich komplett dem Bargeld verweigern. Und das, obwohl Bargeld als gesetzliches Zahlungsmittel gilt. Ein Rechtsbruch liegt dennoch nicht vor – wenn korrekt vorgegangen wird. Laut der Deutschen Bundesbank besteht in der Regel eine Annahmepflicht für Bargeld. Abgeleitet wird dies aus der Empfehlung der EU Kommission vom 22. März 2010 über den Geltungsbereich und die Auswirkungen des Status der Euro-Banknoten und -Münzen als gesetzliches Zahlungsmittel. Dort steht unter anderem, dass die Annahme von Euro-Banknoten und -Münzen als Zahlungsmittel bei Einzelhandelstransaktionen die Regel sein sollte. Eine Ausnahme davon sei nur aus Gründen im Zusammenhang mit dem Grundsatz von Treu und Glauben möglich, also wenn der Einzelhändler beispielsweise über kein Wechselgeld verfügt.
So schön, so gut. Allerdings gibt es auch das Prinzip der Vertragsfreiheit, das auch im B2C-Bereich gilt. Käufer und Verkäufer können sich also darauf einigen, dass Bargeld als Bezahlmethode ausgeschlossen wird. Ob bereits ein Hinweisschild an der Kasse ausreicht, ist eine andere Frage. Prinzipiell sind derartige Vereinbarungen jedenfalls möglich.
Theoretisch könnte Bargeld also durchaus aus unserem Alltag verschwinden. Für die Händler spricht auf den ersten Blick auch einiges dafür, sich für diesen Weg zu entscheiden. So ist ein bargeldloser Prozess am Point-of-Sale wesentlich schneller. In vielen Fußballstadien werden diese Bezahlverfahren sogar bereits eingesetzt. Tankstellenbetreiber und Shops können gleichzeitig das Risiko minimieren, über-fallen zu werden. Und obwohl bei Bargeld umsatzabhängige Gebühren anfallen, kommen andere Kosten auf die Händler zu – wie etwa Rüstzeiten an der Kasse oder die Ver- und Entsorgung des Geldes, von Falschgeld und Schwund an der Kasse ganz zu schweigen. Kundenbindungsprogramme lassen sich mit Karten und mobilen Bezahlverfahren ebenfalls besser an den Mann bringen.
Wer lieber bar bezahlt, könnte also schon bald trotz vollen Portemonnaies an einigen Kassen kehrt machen müssen. In den Ohren von Besitzern und Geschäftsführern kann das nicht gut klingen. Und genau deshalb ist es unwahrscheinlich, dass flächendeckend alle Händler ihre Kunden unnötig einschränken. Der Kunde ist König und entscheidet mit seiner Kaufkraft letztlich, wo er was kauft – und wie. Nicht zuletzt deshalb geht das bargeldfreie Geschäftsmodell nicht überall auf. Der 1. FC Köln und der VFB Stuttgart akzeptieren in ihren Fußballstadien wieder Bargeld. Der Kunde hat gesprochen, und der Händler hat verstanden.
Das bedeutet im Klartext: Kartenzahlungen und Mobile-Payment setzen sich vor allem deshalb immer mehr durch, weil nicht nur die Händler die Vorzüge sehen, sondern auch die Kunden. Die Möglichkeit, mit Bargeld zu zahlen, wird es an vielen Orten auch zukünftig geben – die bevorzugte Bezahlmethode dürfte aber schon in einigen Jahren eine andere sein."