Damit ist aus Datenschutzsicht der Entwurf zum Chatkontrolle-Gesetz katastrophal, denn Jede und Jeder steht unter Generalverdacht, so Schrenk. „Wer glaubt, er oder sie hätte nichts zu verbergen, sollte darüber nachdenken, dass im Falle einer Chatkontrolle alle E-Mails und Chats automatisch auf verdächtige Inhalte durchsucht werden. Es existiert dann keine vertrauliche und geheime Kommunikation mehr. Gerichte müssen derlei Durchsuchungen nicht mehr anordnen, sie geschehen automatisiert“, mahnt Schrenk und nennt die weitreichenden Konsequenzen: „Harmlose Familienfotos vom Strandurlaub werden höchstwahrscheinlich falsch-positiv anschlagen und von internationalen Ermittelnden angesehen. Ein Urlaubsfoto, das vom Sprössling am Strand an die Oma versendet wird, macht diese schon verdächtig.“
Kommt die Chatkontrolle könnten außerdem weitere staatliche Akteure wie Geheimdienste oder auch Cyberkriminelle auf privaten Chats und E-Mails zugreifen. „Etabliert sich die Technologie zur Chatkontrolle, ist es einfach, sie auch für andere Zwecke einzusetzen. Die erzwungene Hintertür ermöglicht nämlich das Überwachen bislang sicher verschlüsselter Kommunikationen auch für andere Zwecke. Den Algorithmen ist es egal, ob sie nach Kindesmissbrauch, Drogenkonsum oder nach unliebsamen Meinungsäußerungen suchen. In einigen Staaten der EU ist es beispielsweise nicht normal, zur LGTPQ-Bewegung zu gehören. Tatsächlich verwenden autoritäre Staaten derlei Filter zur Verfolgung und Verhaftung von Andersdenkenden“, gibt Schrenk zu bedenken.
Schlimmstenfalls schade die Chatkontrolle sogar bei der Verfolgung von Kindesmissbrauch, denn Ermittelnde sind mit Meldungen überlastet, die oft strafrechtlich irrelevant sind. Überdies werden Missbrauchstäter nicht getroffen: Schon jetzt nutzen sie in aller Regel keine kommerziellen Online-Dienste, sondern richten eigene Foren ein. Dort laden sie Bild- und Videomaterial häufig als verschlüsseltes Archiv hoch und teilen nur Links und Passwörter. Die Algorithmen der Chatkontrolle funktionieren hier nicht. „Sorgen bereitet mir zudem, dass die Strafverfolgung privatisiert würde. Denn dann entscheiden Algorithmen großer Tech-Giganten, welche Inhalte als verdächtig gelten“, so Schrenk.