Industrie 4.0

Deutschland auf Kurs?

21. März 2019, 15:39 Uhr | Autor: Tillmann Braun / Redaktion: Diana Künstler
© eisberg Jozef Mičic-123rf

Seit Jahren gilt die Digitalisierung als Schlüssel zu einer positiven Zukunft. Dennoch verschlafen viele hiesige Betriebe den Trend. Gerade im Softwarebereich und bei KI herrscht Nachholbedarf. Experten zufolge muss sich bald etwas ändern, wenn Deutschland am Ende nicht als Verlierer dastehen will.

Nach der Mechanisierung, der Elektrifizierung und der Automatisierung sollen bei der vierten industriellen Revolution alle möglichen Maschinen, Sensoren und Geräte miteinander vernetzt werden, um so unter anderem Industrieabläufe zu digitalisieren und letztlich noch effizienter zu gestalten. Unter anderem kann Predictive Maintenance dafür sorgen, dass sich potenzielle Probleme vorausschauend erkannen lassen, bevor es zu Verzögerungen oder gar Ausfällen kommt. So bietet der Crailsheimer Hersteller Telegärtner beispielsweise einen M2M-basierten Aufzugswärter an, der eine automatische Überwachung ermöglicht und einen sicheren sowie reibungslosen Betrieb von Aufzügen gewährleisten soll. Verschleiß wird mit der Predictive-Maintenance-Lösung frühzeitig registriert, sodass Betreiber entsprechende Maßnahmen einleiten können, bevor es zu Ausfällen und Problemen kommt. Das System erkennt laut Hersteller darüber hinaus potenzielle Gefahr. Je nach Situation wird der entsprechende Aufzug bei Bedarf dann automatisch außer Betrieb gesetzt und die Leitstelle informiert. „Letztlich lassen sich unsere Lösungen auch in vielen anderen Bereichen einsetzen“, sagt Andreas Hopf, Betriebsleiter bei Telegärtner Elektronik. „Das Prinzip ist schließlich immer ähnlich.“

Entsprechende digitale Lösungen gibt es also bereits. Da Deutschland wie wohl kein anderes Land von mittelständischen Unternehmen geprägt und teils auch getragen wird, hängt somit viel von der Frage ab, inwieweit derartige Systeme de facto bereits im Mittelstand genutzt werden beziehungsweise wie weit die Digitalisierung dort vorangeschritten ist. Eine Analyse der Marktforscher von Copa Data zeichnet ein Bild, das Anlass zur Sorge gibt: Mit gerade einmal 19 Prozent hat offenbar lediglich rund jedes fünfte Unternehmen eine Smart Factory als Ziel. Das würde bedeuten, dass es vier von fünf Unternehmen nicht einmal für erstrebenswert halten, möglichst viele Prozesse – von der Logistik über die Maschinen- und Anlagen-Steuerung bis hin zum Einsatz von Big Data sowie KI – zu verknüpfen und zu optimieren. Laut der Analyse kann nahezu ein Drittel der Befragten mit dem Begriff Industrie 4.0 nicht einmal viel anfangen. „Das zeigt, dass noch viel Arbeit vor uns liegt“, sagt Oliver Hüttig vom Software- und Beratungsunternehmen Cocus, das sich unter anderem auf IoT-Lösungen spezialisiert hat. „Wichtig ist es, dass das Management wie auch alle anderen Mitarbeiter verstehen, dass die Digitalisierung nur dann eine Bedrohung ist, wenn man sie nicht positiv für sich nutzt.“ Mit dem Internet of Things, KI oder auch Blockchain-Technologie ließen sich Dinge realisieren, die bis vor Kurzem undenkbar waren – beispielsweise die Optimierung und intelligente Überwachung von wichtigen Produktionsabläufen. „Und auch in der Verwaltung erleichtern zum Beispiel Auftragsbestätigungen inklusive Vertragsübermittlung und Echtzeitzahlung per Blockchain die Arbeit des Einkaufs deutlich – und gegebenenfalls entfallen sogar die bisherigen Notarkosten“, so Hüttig.

Digitalisierung eine Frage des Umsatzes
Laut der Copa-Data-Studie sind Unternehmen aus den Bereichen Automobilbau und Ernährungsindustrie bei den digitalen Technologien weiter als andere. Generell ist zu erkennen, dass die Digitalisierung dort schneller voranschreitet, wo die Jahresumsätze höher liegen. So sind von den kleineren Unternehmen derzeit gerade einmal 20 Prozent digital vernetzt. Immerhin: 77 Prozent der analysierten Betriebe wollen sich zukünftig stärker dem Thema widmen. Die Frage wird allerdings sein, ob die Konkurrenz dann nicht schon enteilt ist. Die gute Nachricht ist, dass das Bild in anderen Ländern nicht unbedingt besser aussieht, wenn es um die erste Phase der Digitalisierung geht. Sprich: die Vernetzung der Industrieanlagen und Geräte etwa per Sensoren und anderer Hardware. Bedenklicher ist eher, dass die zweite Phase, bei der Entwicklung und Nutzung der Software und damit beispielsweise auch Künstliche Intelligenz und Big-Data-Analysen im Fokus stehen, hierzulande vielerorts komplett vernachlässigt wird.

Nur mit der richtigen Software lassen sich aus all den gesammelten Daten, die aus der Vernetzung hervorgehen, sinnvolle Schlüsse ziehen, wie sich Abläufe verbessern lassen. „Unternehmen, die hier vorausschauend und akribisch vorgehen, haben bei Bedarf sogar die Möglichkeit, das eigene Geschäftsmodell neu auszurichten und das Unternehmen so auf ein zukunftsträchtiges Fundament zu stellen“, betont Oliver Hüttig. Ansonsten droht so manchem Industrieunternehmen ein ähnliches Schicksal wie beispielsweise jenen Händlern, die sich zu spät mit der Online-Konkurrenz auseinandergesetzt haben. Dass Größe allein nicht vor dem Untergang bewahrt, hat sich unter anderem am einstigen Spielwarenriesen Toys R Us gezeigt.

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