Im funkschau-Interview erklärt Ulrich Müller, Sprecher der Geschäftsführung bei Operational Services, welche IT-Bereiche es über Managed Services auszulagern gilt, wie IT-Abteilung sowie Service Provider zusammenarbeiten müssen und welche Herausforderungen auf CIOs zukommen.
funkschau: Herr Müller, die Digitalisierung geht mit neuen Anforderungen an die Unternehmens-IT einher. Wo sehen Sie die größten Änderungen bei der Infrastruktur Ihrer Kunden in den vergangenen Jahren?
Ulrich Müller: Drei Entwicklungen zeichnen sich in den letzten Jahren deutlich ab. Erstens: Waren in der Vergangenheit Kosten und Verfügbarkeit der IT die Topthemen, sind es heute vor allem die Unsicherheiten hinsichtlich Datensicherheit und -schutz sowie die Sorge vor zukünftig mangelnder IT-Kompetenz. Zweitens: Der Fokus des CIO hat sich sukzessive weg von der Infrastrukturebene im Schichtenmodell nach oben auf die Applikationsebene bewegt. Analog wurden die Budgets „von unten nach oben umgeschichtet“. Dies resultiert aus der Tatsache, dass ein Beitrag zum Business vor allem durch eine leistungsfähige, geschickt angepasste und nahtlos vernetze Applikationslandschaft geleistet werden kann. Demgegenüber muss die zugrundeliegende Infrastruktur lediglich stückkostengünstig und stabil sein. Zeichnet sich das Business durch volatile IT-Anforderungen aus, kommt die dynamische Ressourcenbereitstellung ins Spiel, für die sich Cloud-Angebote mit nutzungsbasierten Abrechnungsmodellen ideal anbieten. Und drittens: Nur wer neuen Entwicklungen gegenüber offen ist, kann vermeiden, dass seine Mitarbeiter sich heimlich selbst mit der passenden Technologie versorgen. Es gilt zu verhindern, dass digital-affine Mitarbeiter sich eine agile Schatten-IT aufbauen, um die Vorteile von Cloud-Services zur Optimierung ihrer Arbeitsprozesse zu nutzen – und damit, neben anderen Problemen, sämtliche unternehmenseigenen Sicherheitsvorkehrungen aushebeln. Ziel muss es sein, die von Gartner als Bimodale IT beschriebene IT der zwei Geschwindigkeiten umzusetzen. Es geht darum, die alte, bestehende IT-Welt, die durch Zuverlässigkeit überzeugt, aber eher träge und statisch daherkommt, mit der neuen, agilen, schnelleren, business- und kundenorientierten IT-Welt zu verbinden.
Insbesondere im Mittelstand befürchten nicht wenige Unternehmenslenker, dauerhaft nicht die geeigneten IT-Spezialisten anziehen und binden zu können, um von den Potenzialen der Digitalisierung zu profitieren.
funkschau: Ist es trotz dieser schwierigen Gegebenheiten für die Unternehmen möglich, die zunehmende Komplexität der Systeme zu stemmen?
Müller: Insbesondere der Mittelstand führt in einer ZWE-Studie mangelnde IT-Kompetenz sowie Sorgen um die Datensicherheit als Vorbehalte an, sich den digitalen Herausforderungen zu stellen. Und vielen größeren Unternehmen geht es nicht anders. Doch um das Tempo des Marktes mitzugehen, müssen diese Hürden jetzt überwunden werden: Wer sich nicht gleich mit einer überbordenden Unternehmenstransformation der Gefahr des Übernehmens aussetzen will, kann mit kleinen, gezielten Digitalisierungsprojekten starten. Optimierung von Prozessen, Digitalisierung einzelner Aufgabenbereiche, Automatisierung von Routinen – solche Teilprojekte sind nicht allzu komplex und geben Entscheidern die Möglichkeit, Erfahrungen zu sammeln, die sie nach und nach auf den gesamten Betrieb übertragen können. Projekterfolge rechtfertigen die Budgets und erhöhen die Motivation, Misserfolge werden als Lernfelder verbucht. Die Gefahr des Scheiterns auf ganzer Linie wird minimiert. So sieht agiles Vorgehen aus. Ergänzend empfiehlt sich die Unterstützung eines erfahrenen Partners, um von Best Practices sowie vorhandenen Use Cases zu lernen und mit den neuen Aufgaben nicht allein dazustehen.
funkschau: Welche Rolle kommt bei dieser Transformation den Managed Services zu? Steigt seitens Ihrer Kunden die Nachfrage?
Müller: Die Nachfrage ist groß – Managed Services werden für unsere Kunden immer wichtiger. Die meisten Unternehmen haben erkannt, dass sie viele Aufgaben guten Gewissens an einen verlässlichen Partner geben können – speziell im Infrastrukturbereich. Ein typisches Auslagerungsszenario von Infrastrukturdiensten in unsere Private Cloud umfasst alle Leistungen bis zur Oberkante Betriebssystem oder bis einschließlich Datenbanken, sodass für die Unternehmen enorme personelle und finanzielle Ressourcen für die Applikationsdienste frei werden. Entscheidend ist dabei ein rationales Vorgehen bei der Auswahl der externen Dienstleister als Basis für eine vertrauensvolle Zusammenarbeit – denn Technik kann jeder, nur managen nicht. Einen merklichen Zulauf registrieren wir in diesem Zusammenhang von Unternehmen, die in der „1st Generation Outsourcing“ auf einen SLA-optimierenden Dienstleister gesetzt haben und im Anschluss daran nach Kundenorientierung dürsten und eine Partnerschaft auf Augenhöhe suchen – die sie bei uns finden.
funkschau: Welche Teile der eigenen Infrastruktur sollten Unternehmen in die Hände von Partnern geben? Wo sehen Sie diesbezüglich das größte Potenzial?
Müller: Die konkrete Outsourcing-Strategie hängt von der individuellen Situation des jeweiligen Unternehmens ab: IT-Kompetenz, Erneuerungsbedarf der IT-Landschaft, Investitionsmittel, (geänderte) Anforderung des Business und bestehendes Personal. Für die meisten Firmen lohnt es sich tatsächlich, einen großen Teil der Infrastruktur in Expertenhände zu geben: Sicheres Cloud Computing in deutschen zertifizierten Rechenzentren nach aktuellsten Datenschutz- und Compliance-Vorschriften zu transparenten Preisen ist dafür wohl das schlagkräftigste Argument. Neben den Chancen der Infrastrukturauslagerung bestehen große Potenziale beim Einsatz von SaaS- oder PaaS-Angeboten. Da sie die Klammer um die Infrastruktur und die Applikationen bilden und somit vertikal integriert sind, können sich die CIOs voll auf die Entfaltung der Vorteile für die Fachseite konzentrieren.
funkschau: Welche Aufgaben kommen denn auf die IT-Verantwortlichen im Zuge der Digitalisierung zu?
Müller: Die Aufgaben, mit denen die IT-Verantwortlichen konfrontiert werden, gestalten sich immer komplexer. Sie müssen Herr über das zunehmende Datenvolumen bleiben, strengste Sicherheitsanforderungen und zunehmende Auflagen erfüllen, fordernde Fachabteilungen möglichst rasch befriedigen und in der sich schnell drehenden IT-Welt die Orientierung behalten. Letzteres beinhaltet vor allem die Unterscheidung von echten, relevanten Innovationen und Marketing beziehungsweise Ankündigungsinflation von Providerseite.
Dem vermeintlich angestaubten Begriff der IT-Strategie als Grundlage für die aktuell viel schickere Digitalisierungsstrategie kommt eine wichtige Bedeutung zu: Sie muss Antworten geben auf die Fragen nach Sourcing, Organisation und Governance, Architekturen und Portfolio sowie Budgetallokation. Die anschließende Digitalisierungsstrategie definiert dann die Handlungsfelder – Customer Experience, Produktionsrationalisierung, Portfolioerweiterung bis hin zur Geschäftsmodellerweiterung – und geht über den Kompetenzbereich des CIOs hinaus.
In praxi gelingt diese Kooperation nicht immer konfliktfrei, wird doch gelegentlich der CIO für die Gegenwartsprobleme verantwortlich gemacht, während die Bedeutung der Digitalisierung als alleinige Unternehmenszukunft überhöht wird.