M2M/Industrie 4.0

Digitalisierung braucht Fachwissen

23. November 2015, 10:49 Uhr | Birgit Jacobs, Geschäftsführerin von Q-Skills
© Andrey Kuzmin - fotolia

"Der Geist der Maschine ist ein Spiegelbild unserer Wünsche. Der Automat tut, was wir wollen, er ist, was wir sind." Ein bemerkenswertes Zitat in Zeiten wie diesen – jüngst publiziert im Wirtschaftsmagazin "brand eins". Und doch fehlt in unserem digitalen Zeitalter der Aussage ein wichtiger Einschub: "Der Automat tut meistens noch, was wir wollen." Der Grund? Eine allumfassende digitalisierte und vernetzte Geschäftswelt mit komplett automatisierten Fertigungs- und Industriebereichen ist Fluch und Segen zugleich.

Die digitale Revolution birgt neben allen scheinbaren Vorteilen einer flexiblen und zukunftsträchtigen Produktion sowie neuer Wachstumsmöglichkeiten auch Schattenseiten. Angefangen bei Cyber-Risiken über Sabotage bis zur internen Sorglosigkeit im Umgang mit kritischen Systemen und Informationen. Kurzum: Bei der vielfach postulierten Industrie 4.0 und der neuen, weil digitalisierten Weltordnung liegen Chancen und Risiken eng beieinander.

Von der industriellen Revolution...

Für den Digitalverband Bitkom ist Industrie 4.0 eine „Zukunftsvision, die heute beginnt“. Die Chancen sehen die Experten unter anderem in den Entwicklungsmöglichkeiten hin zu neuen Geschäftsmodellen und Arbeitsplätzen sowie einer zusätzlichen Wertschöpfung für die deutsche Wirtschaft. Von einer „Verschmelzung der physischen und virtuellen Welt in cyber-physischen Systemen“spricht das Beratungshaus Capgemini und prophezeit „fundamentale Umwälzungen in allen Geschäftsbereichen von Industrieunternehmen“. In diesem Kontext setzt das Bundesministerium für Bildung und Forschung auf die viel zitierte digitale und damit verbundene industrielle Revolution: „Die Wirtschaft steht an der Schwelle zur vierten industriellen Revolution“, so das Ministerium. Mit dem „Zukunftsprojekt Industrie 4.0“ zielt das Ministerium darauf ab, „die deutsche Industrie in die Lage zu versetzen, für die Zukunft der Produktion gerüstet zu sein“. Die digitale Begeisterung von Wirtschaft und Politik steigt zudem bei einem Blick auf die prognostizierten Wirtschaftszahlen. Denn diese versprechen nach Experteneinschätzung eine zusätzliche Bruttowertschöpfung von 78 Milliarden Euro bis ins Jahr 2025. Ganz zu schweigen von neuen Arbeitsplätzen am Wirtschaftsstandort Deutschland. Die Boston Consulting Group (BCG) spricht gar von 390.000 zusätzlichen Stellen in den kommenden zehn Jahren. Schöne Aussichten hin zum Internet der Dinge, in dem die Produktion – sprich Industrie 4.0 – ein Teil davon ist. In dem Informationen scheinbar grenzenlos fließen sollen und eine vollautomatisierte sowie flexible Produktion samt dazugehöriger Services miteinander vernetzt wird.

… und den Schattenseiten

Die schönen Aussichten verblassen allerdings bei einem Blick auf die Risiken der 4.0-Revolution und dem Internet der Dinge mit einer umfassenden Digitalisierung und Vernetzung von allem mit jedem.

Waren früher Einzelgewerke und fragmentierte Lösungen im Einsatz werden heute und in Zukunft eng vernetzte sowie digitalisierte Schnittstellen für komplette Industrie- und Versorgungszweige immer wichtiger. Und hierbei spielt die IT eine Schlüsselrolle. Doch schaffen es die Konzerne, durch die Integration von IT-Technik die technologische Führung für das Gesamtprodukt zu behalten? Die Antwort fällt aktuell eher düster aus. Nicht nur aufgrund der zunehmenden Eigendynamik der digitalen Eroberungszüge in Werkhallen, Büros und dem täglichen Leben.

Ein Grundproblem für Wirtschaft, Politik und Gesellschaft sind professionelle Hack-erattacken – von staatlichen Stellen und organsierten Cyberbanden durchgeführt. Denn Angreifer können die digitalen Schaltstellen kapern, Daten erbeuten, blockieren und komplette Industrieanlagen sabotieren. Dabei haben sie es vor allem auf die neuralgischen Punkte einer immer enger vernetzen und durchgängig digitalisierten Industrie abgesehen. Als Zielscheibe dienen beispielsweise Schalt- und Steuerungseinrichtungen von Fertigungsunternehmen – sprich sensible Infrastrukturbereiche.

Dass dies keine Phantasie ist, musste in der Vergangenheit bereits der Iran erfahren. Dessen Atomprogramm sabotierten professionelle Hacker im Jahr 2010 mit dem Computerwurm Stuxnet. Im vergangenen Jahr konnten sich Angreifer in einem Test in die IT-Schaltzentrale eines Energieversorgers hacken und die Steuersoftware der Leitstelle beeinflussen. Und vor einigen Wochen zeigten zwei US-amerikanische Hacker der Autoindustrie, wie sie einen PKW fernsteuern konnten. Dabei verschafften sie sich Zugang über das Mobilfunk-Modul, das unter anderem für die Entertainment- und Navigationsfunktionen zuständig ist, und brachten das Fahrzeug unter ihre Kontrolle. Das sind spektakuläre Fälle und zugleich nur die Spitze des Eisbergs. Das wirkliche Ausmaß an Cyberattacken, Datendiebstahl und Sabotage ist höher, alltäglich und bleibt vielfach unbemerkt. Eine der Hauptgründe für erfolgreiche Angriffe besteht nach einem aktuellen Papier zu den „Security-Trends 2015“ von „TÜV TRUST IT“ darin, dass wichtige Sicherheitsstandards beim Internet der Dinge und Industrie 4.0 bis dato nicht geklärt sind. In diesem Zuge wundert es nicht, wenn der Digitalverband Bitkom im Rahmen einer jüngst veröffentlichten Umfrage bestätigt: „Mit 60 Prozent ist eine deutliche Mehrheit der Unternehmen in Deutschland der Meinung, dass sie nicht ausreichend gegen Datendiebstahl, Wirtschaftsspionage oder Sabotageakte geschützt sind.“ Erkenntnis als erster Schritt der Besserung ist an dieser Stelle zu wenig.

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