Auf der diesjährigen Dreamforce Ende September hat Salesforce mit Einstein Voice einen Dienst angekündigt, der Anwendern die Steuerung des CRM-Systems per Sprache ermöglicht. Im funkschau-Interview erläutert Oliver Oursin von Salesforce, wo wir derzeit beim Thema KI in CRM- und ERP-Systemen stehen.
funkschau: Herr Oursin, wie präsent ist Künstliche Intelligenz in CRM- und ERP-Systemen derzeit?
Oliver Oursin: Wir sind bei dem Thema Künstliche Intelligenz immer noch am Anfang einer Entwicklung. Im Bereich CRM ist sie allerdings schon weiter gediehen als bei ERP-Systemen. KI wird dort bisher in erster Linie zur Verbesserung des Kundenerlebnisses eingesetzt: Zufriedenheit erhöhen, Reaktionszeit verbessern. Das geschieht im direkten Kontakt mit dem Kunden.
CRM ist da bereits weiter: Es sind zahlreiche Daten zur direkten Kundeninteraktion vorhanden – von Verkaufschancen über Service-Tickets bis zu Anrufen und Gesprächen. Das CRM-System ist also ein guter Startpunkt für den Einsatz von KI, um die Interaktionen mit dem Kunden zu analysieren und zu optimieren. Bei ERP ist der Entwicklungsstand noch nicht so weit. Es gibt bei ERP auch keinen ähnlich großen Mehrwert oder Druck zum Einsatz von KI. Es gibt zwar Projekte im ERP-Umfeld – beispielsweise im Bereich Fraud Detection – aber da ist KI noch nicht die Kernfunktion.
funkschau: Was waren für Sie in letzter Zeit die ein oder zwei größten Entwicklungssprünge in diesem Bereich?
Oursin: Der erste große Sprung war die Integration von KI direkt in die CRM-Systeme. Der Weg davor war: Daten aus dem System exportieren, Erkenntnisse ableiten, Lernergebnisse zurückspielen. Jetzt ist die KI direkt in der CRM-Plattform im Einsatz. KI-Systeme sind jetzt selbstlernend – früher hat jeder Lernschritt diesen Export-Import-Zyklus ausgelöst. Die integrierte KI ermöglicht diese Updates automatisiert. Machine Learning funktioniert nur, wenn es da stattfindet, wo auch die Daten liegen.
Der zweite Sprung war die Erkenntnis, dass KI als Partner und Unterstützer der Mitarbeiter am besten eingesetzt werden kann und eben nicht den Menschen ersetzt, wie ja oft befürchtet wird. KI unterbreitet also Vorschläge, um welche Verkaufschancen sich ein Vertriebler kümmern sollte, welche Leads am vielversprechendsten sind, welcher Kunde mehr Aufmerksamkeit benötigt. Die Integration in bestehende Systeme führt dazu, dass der Mitarbeiter in seiner gewohnten Umgebung einen Partner erlebt, der ihn mit Empfehlungen und Hinweisen unterstützt, die nächsten besten Schritte zu wählen.
funkschau: Wie haben sich Kundendialog und -prozesse bereits verändert durch den Einsatz von KI-basierten Anwendungen?
Oursin: Da gibt es verschiedene Ansätze, die sich unterschiedlich auswirken. Unser Ansatz bei Salesforce ist die Integration in die Plattform. Dadurch verändern sich Kundendialog und Prozesse geschmeidig. Für die Anwender ändert sich ihr Erlebnis nicht gravierend, der Unterschied sind Empfehlungen und Hinweise. Das bedeutet, dass keine großen Trainingsaufwände oder Transformationsprozesse nötig sind. Die KI integriert sich organisch in die bestehenden Prozesse. Im Verkauf tritt die KI in der Sprache und im System der Mitarbeiter auf. Das verbessert Prozesse unterbewusst. Wir glauben an KI als Partner des Mitarbeiters, deshalb müssen wir die Technologie auf den Mitarbeiter zuschneiden, ohne dass der einen zu großen Lernaufwand hat. Das beginnt mit der Präsentation der Ergebnisse: Die Empfehlungen müssen so eingeblendet werden, dass keine Adaptionshürden entstehen. Sie werden außerdem immer zweistufig präsentiert: Zuerst erhält der Mitarbeiter die Empfehlung und dann die Erläuterung, warum sie ausgesprochen wird. So kann der Anwender die Argumente genau nachvollziehen und muss nicht blind einer Maschine Glauben schenken.
funkschau: Können Sie länderspezifische Präferenzen oder Unterschiede beim Thema KI und CRM/ERP erkennen?
Oursin: Es gibt natürlich länderspezifische Unterschiede, auch innerhalb Europas. Manche Kulturen und Länder öffnen sich schneller für neue Entwicklungen und Technologien als andere. Die USA sind der klassische Vorreiter bei der Adaption neuer Systeme. Das ingenieursgetriebene Deutschland wählt meistens einen anderen Adaptionsansatz als andere Länder. Wir sind oft zu Beginn langsamer. Das heißt aber nicht, dass Deutschland nicht schnell aufschließen kann. Denn aus dem Ingenieursdenken ergibt sich eine hohe Qualität – nicht nur bei Produkten und Services, sondern auch bei Prozessen.