Eine finnische Entwickler-Community zählt jüngst zum Kulturerbe. Sie ist für ihre digitalen Echtzeit-Performances mit Musik bekannt und verzeichnet jede Menge Mitglieder. Ist die Aufnahme in den Kreis der kulturellen Highlights tatsächlich berechtigt?
Kulturelles Erbe … welch Hinterlassenschaft unserer Ahnen. Da trifft die deutsch-österreichische Falknerei im Sturzflug auf den Blaudruck, schmiegt sich liebestrunken an den argentinischen Tango und verknüpft sich mit der traditionellen aserbaidschanischen Teppich-Webkunst.
Bei der finnischen Entwicklercommunity, die nun jüngst Einzug in die Hallen der bewahrenswerten kulturellen Güter erhalten hat, kommen diese verstaubten Relikte wohl ins Schwitzen. Jetzt revolutioniert sie, die sich auf Demos konzentriert, den Kulturbegriff. Die Initiative zeichnet sich durch audiovisuelle Echtzeit-Performances aus, die Programmierung, Grafik und Sound kreativ verschmelzen lassen. Ihr digitaler Hochgenuss ergießt sich auch in Form anderer Inhalte auf ihre Anhänger hernieder: kleine Demos, Musik, Grafiken, Videos, Disketten und Spiele. Wie revolutionär! Ein völlig neuer Ansatz! Da gibt es übrigens seit einer gefühlten Ewigkeit eine Künstlerin. Ihr Name ist Char Davies. Sie gilt als Pionierin auf dem Gebiet der virtuellen Realität und der Biofeedback-VR. Ihr Werk Osmose zeigt, wie man das Publikum auf einen digitalen Trip der Extraklasse schicken kann. Die Arbeiten der zum Kulturerbe gekürten Community laden allerdings bestenfalls zum Ausklingen einer ekstatischen Nacht ein wie es die Space Night-Videos auf ARD-alpha und dem BR zu unseren Jugendzeiten getan haben. Extraordinaire wie der Franzose sagt, ist da ehrlich gesagt nichts. Da haben schon die Welten von Tron irgendwie mehr hergegeben. Aber wie hieß es noch so schön bei Kant: »Subjektiv im psychologischen Sinne ist, was von der besonderen Organisation des erlebenden Subjekts abhängt, wie die Empfindung.«
Zurück zur Community: Seit den achtziger Jahren lechzt dieser Teil der finnische Szene offenbar mit mehreren Hundert Demogruppen auf internationalem Terrain nach Aufmerksamkeit. Was die genaue Intention der Gruppe ist, erschließt sich auch durch Recherche nicht. Ja und wenn eine Community schon Sponsoren hat wie es betont wird, dann ist das auf jeden Fall ein Beleg für ihre Unverzichtbarkeit. Aber hat das der TSV Unterhaching nicht auch? Und hört, hört: deren jährliche »Demoparty Assembly« ist eine kommerzielle Veranstaltung. Na also liebe Freunde der Kultur, dann aber schnell ran an die Vergabe des Kulturerbes. Wo doch bekanntermaßen Kommerz der Kultur den letzten Schliff verleiht. Bei Warhol mag das funktioniert haben, weil er ihn zur Kunst geadelt hat. Seither sind aber einige Jahrzehnte ins Land gestrichen und das ist kalter Kaffee oder wie Homer Simpson sagen würde »booooring«. Hat die Aufhebung der Trennung der Welten auch heute noch eine Berechtigung? Was sagen die mit Geist und Kultur geschwängerten Menschen dazu? Sie sind nämlich die wahren Punks, weil sie leise und subtil sind. Plakativ ist out. Kurz: Schuster bleib’ bei deinen Leisten. Macht weiter so, hochgeschätzte Entwicklercommunity … ist ja echt cool, mehr aber auch nicht. Die Vanitas hat schon an Euch geknabbert, als Eure Geburtswehen eingesetzt haben.