Interview mit E-Learning-Anbieter Udemy

"Wir sehen uns nicht als Ersatz für Hochschulbildung"

16. Mai 2018, 11:48 Uhr |

Fortsetzung des Artikels von Teil 2

Erfordert Umdenken: für Weiterbildung zahlen

funkschau: Welche Voraussetzungen müssen Dozenten mitbringen?

Bauer: Wir heißen alle potenziellen Dozenten oder jene, die unterrichten wollen, bei uns willkommen. Wir sind da sehr agnostisch und  glauben, dass auch die besten Dozenten nicht notwendigerweise Qualifikationen mitbringen oder sich im Klassenzimmer befinden müssen. Es hat sich gezeigt, dass traditionelle Qualifikationen nicht unbedingt immer der beste Indikator für Erfolg sind. Das heißt wir suchen idealerweise nach Leuten, die eine gewisse Expertise in dem Fach haben, das sie unterrichten wollen – und den Enthusiasmus mitbringen, den Leuten etwas beizubringen. Wir haben also keine Anforderungen an die Dozenten, allerdings an die Kurse, die wir auf der Plattform live schalten. Das sind hauptsächlich eher technische als inhaltliche Kriterien – also dass man den Ton versteht, dass die Bildqualität stimmt und dass der Kursaufbau auf eine gewisse Weise gehandhabt wird.  

funkschau: Gibt es eine Art Qualitätskontrolle?

Bauer: Nicht im herkömmlichen Sinne. Sprich wir haben niemanden, der sich jeden Kurs anschaut, der neu auf die Plattform gestellt wird. Die Masse der Kurse ist einfach zu groß. Und wir sind ja auch keine Experten. Da kann ich nur verweisen auf unsere Business-Idee: Wir sind ein Marktplatzmodell und versuchen uns so weit wie möglich aus den Inhalten herauszuhalten. Wir verlassen uns darauf, dass die Nutzer, also die Kursteilnehmer selbst, die Kurse bewerten. Da kann es natürlich mal vorkommen, dass ein Kursteilnehmer einen Kurs kauft, der ihm gar nicht gefällt. In diesem Fall kann er sich immer an unser Support-Team wenden und wenn es berechtigt ist, erstatten wir das Geld innerhalb von 30 Tagen.

funkschau: Welche Bedeutung haben Lernplattformen wie Udemy im deutschen Bildungssektor? Stellen sie eine direkte Konkurrenz zu Universitäten dar und haben gar das Potenzial diese auf lange Sicht zu verdrängen?

Bauer: Wir sehen uns nicht als Ersatz für Hochschulbildung oder wollen dem Offline-Modell Konkurrenz zu machen – wir bilden ja auch keine Zertifikate an. Unser Ziel ist es vielmehr, lebenslanges Lernen zu ermöglichen. Viele unserer Kurse sind daher auch so aufgebaut, dass man sehr spezifisch Wissenslücken auffüllen kann. Unser Themenspektrum ist dementsprechend sehr breit: von „Yoga“ über „Stricken“ bis hin zu „Wie kaufe, wasche und benutze ich Stoffwindeln?“ oder Software- und Entwickler-Kursen. Auf der anderen Seite bieten wir auch viele Business-verwandte Kursthemen an im Bereich Rhetorik, Public Speaking oder Fotografie. Grundsätzlich haben wir aber zu jedem Themenbereich Inhalte. Die Frage ist eher: Wie werden diese Inhalte nachgefragt? Und Deutschland steht da immer noch am Anfang dieser E-Learning-Welle, das heißt viele Leute denken vielleicht noch gar nicht daran, dass sie Inhalte zu einem bestimmten Thema auch via Online-Kurs lernen können. Das ist im Bereich Computer Sciences beziehungsweise technische Inhalte schon weiter fortgeschritten

funkschau: E-Learning steckt also hierzulande noch in den Kinderschuhen? Woran liegt das?

Bauer: Es gibt verschiedene Faktoren. Zum einen ist es so, dass generell Technologietrends im deutschsprachigen Raum immer etwa fünf Jahre später ankommen – man sich erst an den Gedanken gewöhnen muss. Hinzu kommt, dass Deutschland traditionell ein breit gefächertes Angebot an Gratislerninhalten hat. Die Vorstellung, dass man für Weiterbildung bezahlt, ist daher noch nicht sehr stark in den Köpfen verankert. In Summe bedeutet das, dass Deutschland jetzt erst das Potenzial von E-Learning erkennt. Die Leute, die jetzt zu studieren anfangen, sind diese „Mischung“ bereits gewöhnt, Inhalte auch digital zu konsumieren und auch eigene Interessen – sei es über Youtube oder auch andere Kanäle – online zu verfolgen. Bei der jungen Generation ist es somit sicherlich kein Problem. Wir haben aber auch sehr viele Kursteilnehmer, die nicht unter 20 sind, sondern eher Ende 20 bis Mitte 40, und da muss sich das erst in den Köpfen verankern, dass es auch eine Option ist, sich online fortzubilden. Davon abgesehen merken wir, dass der deutsche Markt sehr schnell wächst und dass wir hier durchaus viele neue Nutzer gewinnen, die die Vorteile von E-Learning für sich entdecken. So haben wir uns über das letzte Jahr ungefähr verdreifacht im Volumen, was das Geschäft in Deutschland angeht.

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