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Wo es bei Industrie 4.0 noch hakt

16. April 2018, 0:00 Uhr | Autoren: Meinrad Happacher, Lukas Dehling
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© Uwe Niklas

IIoT beziehungsweise Industrie 4.0 sollen die Wertschöpfungs- und Geschäftsprozesse in revolutionärer Weise verändern. Doch um davon zu profitieren, muss in den Unternehmen noch viel passieren, sind sich Klaus-Dieter Walter und Dr. Hans Egermeier sicher.

Klaus-Dieter Walter
Klaus-Dieter Walter, Mitglied der Geschäftsführung bei SSV Software Systems: „Wichtig sind Prozessschritte, um Rohdaten in werthaltige Informationen umzuwandeln.“
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Herr Walter, inwieweit sind die Unternehmen heute tatsächlich auf die Veränderungen vorbereitet?

Klaus-Dieter Walter: Da sehe ich schon noch erheblichen Handlungsbedarf. Sehr viele Unternehmen ordnen das IIoT und auch Industrie 4.0 als ein Connectivity-Thema ein, das sich mit Hilfe von MQTT, OPC UA und vielleicht noch einer Verwaltungsschale zielführend bearbeiten lässt. Tatsächlich geht es aber um Daten, Informationen und Wissen. Das ist für zahlreiche Unternehmen völliges Neuland. Nur mit einer ‚Sensor-to-Cloud‘-Lösung kommt man nicht zum Ziel. Da haben Unternehmen zwar nach einiger Zeit viele Daten in der Cloud oder auf einem Unternehmensserver, aber der quantifizierbare Nutzen fehlt. 

Gegenwärtig ist zu beobachten, dass sich unzählige Firmen mit der Thematik befassen. Einige bauen zunächst einen Prototyp oder Demonstrator, der Maschinen- und Anlagendaten sammelt. Teilweise werden diese dann mit Hilfe einer neu entwickelten App oder auf anderem Wege visualisiert. Das reicht aber bei Weitem nicht, um in einer digitalen Welt wettbewerbsfähig zu bleiben.

Welche technischen Belange sind denn grundsätzlich zu betrachten?

Walter: Neben der Connectivity müssen wir uns alle mit dem Oberthema ‚Künstliche Intelligenz‘ beschäftigen. Dazu gehören die Teilgebiete ‚Machine Learning‘ und ‚neuronale Netze‘, aber auch klassische Statistikmethoden, wie beispielsweise die ‚explorative Datenanalyse‘. Des Weiteren spielen die Algorithmen-Entwicklung und das IIoT-Security-Thema eine entscheidende Rolle. 

Sind die technischen Voraussetzungen denn schon alle gegeben? 

Walter: Rein objektiv betrachtet, existieren meines Erachtens die technischen Voraussetzungen – da fehlt nichts ­Wesentliches. Trotzdem müssen wir uns auf Grund des intensiven Wettbewerbs auf der Anbieterseite und der dadurch begründeten Marketing-Aktivitäten auf weitere Entwicklungen einstellen. Einiges wird allerdings auch nur aus anderen Bereichen in die Industrie-4.0-Welt übertragen werden, zum Beispiel das Thema ‚Data Science‘. Darüber hinaus hinken wir in der EU bei der Cloud-Akzeptanz deutlich hinterher. Noch schlimmer sieht es bei den rechtlichen Rahmenbedingungen aus.

Worin besteht der Unterschied in der Herangehensweise zu Projekten der Vergangenheit?

Walter: Für die meisten Unternehmen dürften sich die Herausforderungen durch IIoT und Industrie 4.0 nicht durch die typische inkrementelle Produkt-Innovation erfüllen lassen. Es ist in diesem Fall ja schon sehr schwierig, überhaupt den Innovationsgegenstand zu bestimmen. Vielfach ist hier beispielsweise ein Mix aus Produkt- und Geschäftsmodell-Innovation erforderlich. Insofern reicht es nicht aus, einfach mal eben ein weiteres Projekt im Produktmanagement aufzusetzen. Ganz wichtig ist, sich zu verdeutlichen, dass wir es mit daten- und informationsbasierten Innovationen zu tun haben. Im einen oder anderen Fall wird man daher sogar externe Start-ups anzapfen müssen, um Erfolg zu haben.

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Dr. Hans Egermeier
Dr. Hans Egermeier, Geschäftsführer Talsen Team, rät ­Unternehmen: „Einfach machen!“
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Herr Dr. Egermeier, passen denn die innerbetrieblichen Strukturen für die aufziehende IIoT-Welt heute schon? 

Dr. Hans Egermeier: Es werden crossfunktionale und bereichsübergreifende Teams mit einem hohen Kompetenz- anteil an softwarelastigen Themen benötigt. Ob die Strukturen dafür schon passend sind, ist natürlich sehr schwer in einer pauschalen Antwort zu geben. Das Management fortschrittlicher Unternehmen wird wahrscheinlich innerlich mit den Augen rollen und sich verwundert zeigen, warum man ihnen immer noch keine Software-Kompetenz zugesteht. Unternehmen die dagegen ganz am Anfang der IIoT-Welt stehen, erkennen vielleicht sogar noch nicht einmal, dass sich ihre heutigen Strukturen lediglich für elektromechanische Entwicklungen mit bestenfalls geringem Software-Anteil eignen.

Wie müssen denn die Entwicklungsteams organisiert sein?

Egermeier: Sie müssten vor allem in Bezug auf einen hohen Informationsdurchsatz hin organisiert sein. Also keine ­starren Topdown-Hierarchien, ein hohes Maß an autonomer Entscheidungskompetenz und Verantwortung im Team sowie eine konsequente Ausrichtung anhand der ­Kunden­bedürfnisse – nicht nach selbst ausgedachten ­Anforderungskatalogen.

Welche neue Methodiken eignen sich?

Egermeier: Agile Entwicklungsmethoden, wie etwa das wohl bekannteste Vorgehens-Framework ‚Scrum‘. Bei der Umsetzung gilt es, keine Aufweichung der Regeln zuzulassen. Zur Sicherung des Qualitätsstandards ist unbedingt eine testgetriebenen Entwicklung mit einem möglichst hohen automatisierten Testanteil anzustreben. 

Wie kann ein Unternehmen diese Vorgaben umsetzen?

Egermeier: Die schlichte Antwort auf diese Frage lautet: „machen!“ Viel zu viele Unternehmen überlegen viel zu ­lange, wie Sie Ihre Prozesse optimieren könnten, ohne sich dabei auch nur ein klein wenig zu verändern. Wer etwa ‚Scrum‘ als Prozess einführt, führt damit auch gleich kontinuierliche Lern- und Verbesserungsstrategien mit ein, die konsequent umgesetzt über die anfänglichen Schwierigkeiten hinweghelfen und die Teams schnell auf ein hohes Effektivitäts- und Effizienzniveau ­bringen.


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