Der vielzitierte Fachkräftemangel macht auch vor der Software-Entwicklung nicht Halt. »Ja, in Deutschland gibt es auf jeden Fall einen Mangel an Software-Entwicklern,« berichtet Henrich von Sage. Osteuropa scheint das neue Indien zu werden, wenn es um die Auslagerung von Software-Entwicklung geht. »Unsere Erfahrung ist, dass sich auf offene Stellen meist Bewerber aus Osteuropa, zum Beispiel aus Russland, melden – oder auch aus Indien. Diese Bewerber sind hochqualifiziert, es fehlt aber noch etwas an Erfahrung, was die Anforderungen deutscher Unternehmen betrifft.« Dies gehöre aber maßgeblich dazu, um den Anforderungen der Kunden gerecht zu werden. »Allerdings ist die Software-Entwicklung in Indien ist sehr preiswert. Meine Erfahrung mit Osteuropa, speziell Polen und Rumänien: Dortige Software-Entwickler sind hochgebildet, sehr engagiert und haben ein gutes Anwendungsverständnis. Andererseits wird die Software-Entwicklung dort immer teurer; speziell in Ländern wie Rumänien, Polen oder Ungarn. Anders ist es vermutlich in Ländern, die außerhalb der Europäischen Union liegen wie Weißrussland, Georgien oder Kasachstan. Konkrete Erfahrungen habe ich mit diesen Ländern jedoch nicht.« Grundsätzlich bedeute das Outsourcen der Software-Entwicklung immer einen hohen Aufwand an Wissenstransfer und Absprachen.
Deutliche Defizite im deutschen Bildungsbereich sieht auch Singh von Cloudbees: »Der Schwerpunkt sollte auf der Teamarbeit und der gemeinsamen Umsetzung realer Projekte liegen. Ein 12-monatiger Anfängerkurs, bei dem die Studenten direkt vom Anfang der Entwicklung bis hin zu einer laufenden mobilen Anwendung alle Schritte selbst durchführen müssen, wird am Ende mehr erreichen, als bloße theoretische Aufgaben.«
Digitalisierungsprojekte sind typischerweise interdisziplinär. So treffen Informatiker, Mathematiker, Ingenieure und Betriebswirte in einem Projekt aufeinander. Hinzu kommt, dass es in diesem Umfeld noch sehr große Unsicherheiten gibt, wie die gesuchte Lösung genau aussehen soll. Eine Standardisierung, wie dies etwa im Rechnungswesen möglich war, scheint kaum möglich – zumal die Unternehmen gerade hier Differenzierungspotenziale sehen. Kollaborative Methoden wie Desgin Thinking haben deshalb Hochkonjunktur. Es ist offensichtlich, dass die Kommunikation unter den verschiedenen Kow-how-Trägern von großer Bedeutung für erfolgreiche Ergebnisse ist.
Lemmens von Pivotal erklärt, um effektive Arbeitsumgebungen zu schaffen, müssten Unternehmen den Weg von einer Befehls- und Kontrollkultur hin zu einer kollaborativen Haltung gehen. »Innerhalb größerer Unternehmen müssen die einzelnen Teams gezielt dazu befähigt werden, Lösungen für sich selbst und auf ihre eigene Art zu finden.« Dies gelinge am besten durch interdisziplinäre Zusammenarbeit, in der verschiedene Werkzeuge und Fähigkeiten zum Tragen kommen. Ein ideales Arbeitsumfeld bestehe so beispielsweise zu gleichen Teilen aus Produktfokus, Coaching und Zusammenarbeit. Singh sieht Probleme kommen: »Der Einsatz von Microservices wird das Kollaborations-Problem vermehren, da jedes Team Mikroservices besitzt, die wiederum mit Microservices von Teams auf der ganzen Welt zusammenarbeiten, um schlussendlich eine Anwendung zu liefern. Denkbares Szenario: Sie haben hier einen Code geändert, und ein Team in Indien wird in zwei Wochen davon betroffen sein.«