Infrastruktur

Die Ethernet-Story

30. September 2013, 14:15 Uhr | Dirk Jarzyna, Journalist und freier Mitarbeiter funkschau

Fortsetzung des Artikels von Teil 1

Wie alles begann

Der Xerox-Alto, der erste bei Xerox PARC per Ethernet vernetzte „Personal-Computer“.
Der Xerox-Alto, der erste bei Xerox PARC per Ethernet vernetzte „Personal-Computer“.
© Xerox PARC

Woran arbeiteten Metcalfe und Kollegen Anfang 1973? Was führte zu diesem Diagramm und dem Memo, das Metcalfe am 22. Mai 1973 verfasste, das den Grundstein legte für das moderne Networking, wie wir es heute kennen und nutzen? Dies kann niemand besser erzählen, als der Hauptverdächtige, Bob Metcalfe, selbst: „Wir wollten Personal-Computer ins Gebäude bringen, genauer gesagt den Xerox-Alto. Ein Gebäude voller PCs zu haben, war zu jener Zeit sehr kontrovers. Das war vielleicht das erste Mal, dass so etwas getan wurde, und wir waren in der glücklichen Lage, auf dieses Problem zu stoßen, das zuvor nicht existierte: Was tun wir mit einem Gebäude voller Personal-Computer?

Hunderte Maschinen, verteilt über einen Kilometer, eine Maschine pro Schreibtisch. Die Computer mussten klein und billig sein. Billig hieß damals, dass der Computer 30.000 Dollar kostete.

Dann die Applikationen, an die wir dachten: Wir waren dabei, ein Netzwerk zu bauen. Der Alto ersetzte den Texas Instruments Silent 700, also sollte er auch mindestens das tun können, was der Silent 700 tat.

Ergo schrieb ich Telnet für den Alto. Wir benötigten Telnet auf dem Alto, um uns in Maschinen im Internet einzuloggen. Und Xerox baute einen Laser-Drucker, EARS, 500 dpi, eine Seite pro Sekunde. Wenn wir 8,5 x 11 x 500 x 500 pro Sekunde rechnen, erhalten wir rund 20 Megabit pro Sekunde – und wir wollten diesen Drucker beschäftigt halten. Das Netzwerk musste also ein signifikanter Teil von 20 MBit/s sein.

Wir hatten natürlich auch einige digitale Technik zum Spielen, und das erwähne ich gewissermaßen defensiv, denn recht häufig werde ich von jungen Ingenieuren gefragt, warum wir Ethernet auf einem so blöden Weg gemacht haben. Nun, einfach deshalb, weil wir kein LSI hatten. Wir hatten MSI, Medium-Scale-Integrated-Texas-Instruments-7400-Halbleiter, bei denen wir beispielsweise zwei Flip-Flops auf einen Chip bekommen konnten.

Wir hatten FIFOs, die wir benötigten, um die Daten in den Computer rein und raus zu bekommen. David Boggs fand einen CRC-Chip, um zu prüfen, ob Bits während der Übertragung beschädigt wurden.

Dies war ein Teil der digitalen Technik, die uns zur Verfügung stand. Und ich erwähne sie hauptsächlich als Entschuldigung für einige der Verrücktheiten des frühen Ethernets, denn dies war alles, was wir tun konnten – wir hatten noch kein LSI. Verkabelung war ein Problem. In unserem Gebäude gab es einen Raum, ein Rattennest voller Kabel. Wir dachten also intensiv daran, das Kabelproblem zu lösen. Und dann hörten wir vom ALOHAnet, das zwei Funkkanäle hatte. Ich verbrachte also einen Monat auf Hawaii, um das ALOHA-Netzwerk zu studieren – ein Trip, den ich nur empfehlen kann.

Wir wollten also dieses Rattennest-Problem lösen. Wir hatten eine große Anzahl Kabel, die sehr lang sein würden und sehr dick werden konnten, mit großen, unzuverlässigen Konnektoren. Die Geschwindigkeit musste schneller als das ALOHAnet mit 9600 Bit/s sein, schneller als das ARPAnet, wo wir lediglich 15 KBit/s rein und raus bekamen. Aber wir hatten diesen verdammten Drucker (EARS), der mit 20 MBit/s lief – und der gab letztendlich die Geschwindigkeit vor. Wir entschieden uns also für ein Medium mit einem Draht. Wir wollten eigentlich gar keinen Draht haben – ALOHAnet hatte keinen Draht. Das Problem war, dass Modems zu jener Zeit so groß waren wie Kühlschränke. Und wir hätten ein Modem auf jeden Schreibtisch stellen müssen, Dies konnte also nicht funktionieren. Außerdem wollten wir ja Megabits pro Sekunde erzielen. Wir gingen also zum Draht zurück, aber nur zu einem, und den nannten wir Ether.

Und dann gab es den Sharing-Teil. Stellen wir uns 256 Computer vor, die im Gebäude verteilt sind. Wie konnten diese hin und her fließenden Daten geclockt werden? Mit einer einzigen Clock? Mit einer verteilten Clock? Wir entschieden uns für eine große zentrale Clock. Das Netzwerk sollte komplett passiv sein, was bedeutete, dass das Clocking der Daten in den Daten selbst enthalten sein musste. Wir mussten außerdem vorsehen, dass jede Station mal dran kam. Die Stationen hatten diesen einen Draht, den sie abwechselnd benutzen mussten. Wie sollten wir das effizient, fair und mit geringer Latenz umsetzen? Ein Papier von Norm Abramson zeigte mit die Richtung. Es enthielt die Mathematik für zufällige Neuübertragungen (randomized retransmissions).

Viel Energie verwendeten wir darauf, die Verbindung sehr zuverlässig zu machen. Tat Lam erreichte das mit einem Transceiver. Dave Boggs fand den CRC-Chip, eines der letzten Bauteile, die wir aufs Board quetschten. Wir hatten aber auch eine Software-Prüfsumme, denn wir waren uns nicht sicher, ob der Alto wirklich zuverlässig war.

Und dann waren da die Protokolle. Und dies war ein Schlüssel, denn wir erkannten, dass das Ethernet, dieses Netzwerk, in einer Hierarchie von Protokollen mit sieben Schichten existieren würde. Wir würden uns auf diese Schichten stützen und dadurch das Design vereinfachen. Ethernet selbst hatte also beispielsweise keine Acknowledgements eingebaut. Ein Protokoll der höheren Schicht würde die Acknowledgements erzeugen, was Ethernet vereinfachte.“

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  1. Die Ethernet-Story
  2. Wie alles begann
  3. Die Erfindung
  4. Vom Ein-Knoten-Ethernet zum Carrier-Ethernet
  5. Twisted-Pair und Need for Speed
  6. Auch für Carrier
  7. Was folgt
  8. Ethernet wo wir es eher nicht vorzufinden erwarten

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