SDN – Software-Defined-Networking – scheint die Netzwerk-Branche genauso zu verändern wie die Einführung des PCs die Büroabläufe einige Dekaden zuvor. Das Elixier ist die Abkopplung der Hardware-Infrastruktur von der Applikationsebene. Das eröffnet neue Möglichkeiten für Automatisierung und Kontrolle. Der Experten-Roundtable der funkschau zum Thema SDN zeigte entsprechend ein hohes Maß an Harmonie hinsichtlich der Einschätzung der Relevanz von SDN. Die Frage ist: Wer profitiert wie, und was sind die nächsten Schritte?
Spätestens nach Gründung der Open Networking Foundation im Jahr 2011 durch die Deutsche Telekom, Facebook, Google, Microsoft, Verizon und Yahoo ist Software-Defined-Networking zum neuen Stern am Netzwerkhimmel aufgestiegen. Offensichtlich ist es der Druck der Service-Anbieter, der eine größere Transparenz und Flexibilität der Netzwerkinfrastrukturen fordert. Aber wie es so ist, bei neuen Ansätzen – das Ziel scheint klar, nur gibt es immer auch mehrere Wege dahin.
So auch bei SDN. Während die Hersteller proklamieren, dass sie das Prinzip der Software-definierten Datenübertragung schon seit Jahren unterstützen, so fordern ihre Kunden offene Standards, um eigene Anwendungen zu programmieren, um herstellerneutral und über Carrier-Netze hinweg Services bereitzustellen – transparent, flexibel und aus der Ferne administrierbar. Entsprechend haben sich eine Reihe von Paradigmen, Standards und Begrifflichkeiten herausgebildet, die nach Marktrelevanz streben.
Carrier-Ethernet hat in den vergangenen zehn Jahren anderen Übertragungsprotokollen den Rang abgelaufen und mit CE 2.0 den Weg in ein dynamisches, Carrier-übergreifendes Provisioning von Services eröffnet. Mit 220 Mitgliedern, die sich weltweit aus Herstellern, Carriern, Providern und Serviceanbietern rekrutieren, arbeitet das MEF intensiv an SDN-Schnittstellen – nicht zuletzt mit der gemeinschaftlichen Gründung des „CloudEthernet Forums“. Die Open Networking Foundation (ONF) ist angetreten, das Openflow-Protokoll als gemeinschaftliche Basis für ein offenes SDN zu promoten. Binnen dreier Jahre hat es die Organisation auf eine Mitgliederschaft von über 100 Unternehmen geschafft.
Auch das ETSI ist bei der Definition von offenen Netzwerkfunktionen aktiv. Hier steht die Network-Function-Virtualization (NFV) im Vordergrund. Andere Herstellervereinigungen wie etwa Open Daylight zielen darauf ab, durch Open-Source-Implementierungen die Verbreitung von SDN zu fördern. Dadurch schaffen Sie möglicherweise De-facto-Standards. Aber was ist das eigentliche Ziel der Bestrebungen und was sind die Auswirkungen für Hersteller, Carrier, Service-Anbieter und letztlich den Anwender in den Unternehmen?
Babylonisches Begriffsgewirr
funkschau lud in Zusammenarbeit mit den Standardisierungs- und Zertifizierungsorganisationen ONF (Open Networking Foundation) und MEF (Metro Ethernet Forum) wichtige Player im aufkeimenden Markt für Software-Defined-Networking zum Expertengespräch. Von den Herstellern: Brocade, Cisco, Extreme, Huawei, Juniper und NEC sowie den Testsystem-anbieter Spirent. Von den Carriern und Providern: T-Systems und Equinix. Das Ergebnis vorweg: Der Konsens hinsichtlich der Zukunft von SDN ist groß. Bleibt die Frage: Wohin geht die Reise?
Begriffe wie SDN, NFV, Openflow, Openstack oder Opendaylight beherrschen derzeit die Diskussionslandschaft und sorgen noch für ein babylonisches Begriffsgewirr. Fabian Schneider, Chair of the Architecture and Framework Working Group der ONF und Senior Researcher bei den NEC Laboratories Europe sieht in NFV und SDN komplementäre Technologien: „NFV ist der Weg, wie in Zukunft Netzwerkfunktionen einfach implementiert und ausgerollt werden können. SDN ist die ideale Technologie, um diese Network-Function-Virtualization auf Netzwerkebene zu unterstützen.“
Diese Sichtweise unterstützt auch Johannes Weingart, MEF-Co-Chair für die DACH-Region und Senior Product Manager bei Brocade: „NFV steht für Software statt Hardware. SDN steht für Themen wie Orchestration, Flow-Management oder Virtualisierung. Prinzipiell sind diese Themen unabhängig voneinander, weil SDN grundsätzlich auch mit dedizierter Hardware betrieben werden kann. Aber natürlich ergänzen sich die Techniken perfekt.“
Auch Michael Vollert, Director Central Europe bei Spirent Communications unterstützt diese Sicht: „SDN ist im Prinzip eine neue Netzwerkarchitektur. NFV ist eine Möglichkeit, diese neue Architektur zu realisieren. Natürlich benötigt auch SDN noch eine Hardware, aber die ist standardisiert und kann entsprechend deutlich günstiger und schneller bereitgestellt werden.“