Für Olaf Schnapauff, Chief Technology Officer Global Cloud Computing and Emerging Products bei T-Systems, ist die Abgrenzung einzelner Begriffe nicht zielführend, vielmehr kommt es darauf an, das Gesamtkonzept im Blick zu haben: „NFV und SDN sind für sich allein nicht interessant. Für uns kommt es darauf an, das gesamte Datacenter Software-basiert zu managen. In diesem Umfeld sind die Virtualisierung der Netzwerkfunktionen, Software-Defined-Networking oder Software-Defined-Storage allesamt Bausteine. Für uns ist es das Ziel, einen weltweiten Verbund von Software-basierten Datacentern zu betreiben.“
Auch Patric Groß, Director Business Development bei der Equinix Deutschland, plädiert für eine gesamtheitliche Sichtweise mit Blick auf das Datacenter: „Natürlich haben alle der angesprochenen Technologien ihre Relevanz, auf der anderen Seite betreiben wir die Virtualisierung unserer Datacenter bereits seit zehn Jahren über Plattformdienste, die Sicherheit, Qualität und Verfügbarkeit garantieren. Von SDN erwarte ich eine Flexibilisierung bei der Bereitstellung von Tausenden Interconnections unabhängig von der darunterliegenden Hardware. Das ermöglicht die notwendige Kostenreduktion.“
Die Begriffsdiskussion einzig im Hinblick auf die Infrastrukturen greift allerdings zu kurz. Olaf Hagemann, SE Director DACH bei Extreme Networks weist darauf hin, dass die Anwendungen Sinn und Zweck der Bestrebungen sind: „Datacenter sind kein Selbstzweck. Sie sind einzig dazu da, die Applikationen zu bedienen. Trotz aller Abstraktionslayer wird mittelfristig keine voll-skalierbare Hardwareunabhängigkeit erreicht werden können.“
Auch Josef Strauss, Director, Global Partners bei Huawei Technologies, weist auf den Anwendungsaspekt hin: „Früher ging es im Carrier-Geschäft im Wesentlichen darum, Daten möglichst schnell von A nach B zu transportieren. Das hat sich geändert: Heute verlangen etwa OTT-Anbieter geeignete Infrastrukturen für die Implementierung neuer Dienste, wobei sich der Rollout-Zeitraum von früher 12 bis 16 Monaten auf heute bis zu einem Monat verkürzt hat. Demgegenüber steht das noch geringe Know-how der Carrier im Bereich der Anwendungen.“
Vereinfachung der Prozesse
Es ist offensichtlich: Die Branche sucht nach Orientierung und selbstverständlich haben die Player unterschiedliche Motivationslagen.
Olaf Schnapauff sieht die Anforderungen aus Anwendersicht: „Die Ziele sind unterschiedlich, je nachdem, welche Bereiche betrachtet werden. Als Carrier wollen wir ganz einfach unsere Netze und Betriebsprozesse vereinfachen, als Betreiber von Rechenzentren die Skalierbarkeit erhöhen und zwar in einem weltweiten Maßstab, um die Applikationsmobilität wiederherzustellen. Wir müssen Limitierungen überwinden, um etwa Applikationen von Düsseldorf nach New York verschieben zu können. Dabei müssen Betriebsteams von den Anwendungen auch separiert werden können – ohne Handarbeit. Die Telekom betreibt hierzu ganz unterschiedliche Projekte in allen denkbaren Anwendungsbereichen.“
Carrier, Campusnetze und Datacenter sind ganz offensichtlich die Bereiche, in denen SDN künftig zum Einsatz kommen wird. Vor allem das Problem der Orches-trierung steht ganz oben auf der Wunschliste der Anwender. In den Unternehmen allerdings scheint das Thema noch nicht so ganz angekommen. Ulrich Hamm von Cisco weist vor allem auf die noch fehlenden Skills hin: „Im Enterprise-Bereich herrscht noch eine gewisse Unsicherheit hinsichtlich der Einsatzmöglichkeiten. Das ist letztlich auch eine Frage des verfügbaren Know-hows. Hier ist sicher noch viel zu tun.“
Johannes Weingart von Brocade sieht die Motivation für den Einsatz der neuen Technologien vor allem bei den Kosten und der Flexibilisierung: „Die Virtualisierung der Netzwerkfunktionen ist vor allem kostengetrieben. Flexibilität und Speed of Innovation sind weitere Gründe für den Einsatz. Die Innovationszyklen sind bei SDN völlig anders. Statt zwei Jahre für eine neue Gerätegeneration braucht man bei SDN und NFV nur drei bis sehs Monate für eine neue Software-Funktion. Dedizierte ASICs, die individuell entwickelt werden, gehören damit wohl bald der Vergangenheit an.“
In der Trennung von Hardware und Software liegt denn auch der eigentliche Schlüssel für die Umsetzung der neuen Konzepte. Wer allerdings darauf setzt, dass in kurzer Zeit Router und Switche durch Intel-Prozessoren ersetzt werden können, muss sich dennoch wohl gedulden.