SDN-Roundtable

"Die Revolution findet statt"

25. März 2014, 14:49 Uhr | Ralf Ladner, Redaktion funkschau

Fortsetzung des Artikels von Teil 4

Prozesse verbessern

enn dies funktionieren soll, bedarf es allerdings auch der Möglichkeit, Funktionalität und Performance selbst komplexester Verbindungen zu überprüfen. „Und das bereits im Vorfeld des Deployments“, so Michael Vollert. „Probleme, die erst beim Betrieb auftreten, könnten fatale Folgen haben.“

Ein mögliches Szenario ist etwa Infrastructure-as-a-Service, in dem der Anwender über ein Customer-Portal bei einem Cloud-Service-Provider Rechenleistung und Storage bestellt. In diesem Szenario kann der Anwender virtuelle Maschinen, virtuellen Speicher und die Bandbreiten dazwischen über eine grafische Oberfläche selbständig festlegen und quasi ein virtuelles Datacenter nutzen.

Olaf Schnapauff sieht die möglichen Szenarien durchaus weiter gespannt. Er schlägt vor, dass bereits die Entwickler von Anwendungen die entsprechenden Regeln ableiten, um Policies zu beschreiben. „Wir können heute keine Applikationen insgesamt managen, sondern immer nur Teile. Das muss sich wieder ändern.“ Für Fabian Schneider ist eine Voraussetzung dafür allerdings, dass die Applikationsdefinition nicht bis hinunter in die physikalische Ebene spezifiziert werden muss. Die Ausführungsebene muss selbst entscheiden können, wie sie die Anforderungen der Applikation umsetzt.

Johann Strauss: „Wir werden künftig Szenarien sehen, in denen Infrastruktur-Services an einer Börse im Spotmarkt gehandelt werden. Das geht nur, wenn es dafür eine automatische Provisionierung gibt, die zeitnah erfolgt. Das ist einer der Treiber im Markt.“ „Aber“, so Ulrich Hamm, „noch sprechen die Anwendungsentwickler eine ganz andere Sprache. Wir müssen uns von klassischen Betriebsmodellen lösen, wenn das Ziel einer Dynamisierung erreicht werden soll.“

Das Datacenter ist eine klar definierte Umgebung mit klar definierten Regeln und lässt sich entsprechend managen. Das gilt für komplexere Netzwerk-Szenarien heute noch nicht, sollte aber nach einhelliger Meinung der Teilnehmer das Ziel sein. Die Revolution findet statt, wenn auch in kleineren Schritten. Die Problematik liegt offenbar nicht mehr in den technischen Möglichkeiten oder praktikablen Standards. Voraussetzung ist eher die Einbeziehung der Developer-Ecosysteme.  Die ONF hat bereits mit verschiedenen Maßnahmen damit begonnen, den Kontakt zu Anwendungsentwicklern zu intensivieren. Es gilt, globale Policies zu erzwingen und Silos wieder aufzubrechen. Die Gesamtsicht umfasst eben auch die organisatorischen Prozesse, die vor notwendigen Anpassungen stehen. Die großen Themen sind Multi-Tenancy und Dynamik.

Konsens und Zuversicht

Es herrscht bei Herstellern und Providern gleichermaßen Zuversicht, dass sowohl in Carrier-Netzen und Cloud- wie auch im Enterprise-Datacenter SDN die Technik der nahen Zukunft ist. Gleichwohl sind viele Aufgaben noch zu bewältigen. Wie sehen die Beteiligten die zukünftige Entwicklung?

Thomas Ruban von Juniper geht das Thema pragmatisch an. „SDN ist kein Hexenwerk. Im Rechenzentrum gibt es bereits sehr stabile Anwendungen mit sehr schnellen Innovationszyklen. Probleme gibt es möglicherweise bei der Akzeptanz bei kleineren Anwendern hinsichtlich einer Automatisierung. Zudem ist das Angebot an Fachleuten heute sicher noch sehr überschaubar.“

„Unsere Vision ist es, eine Abstraktionsebene bereitzustellen, über die Anwendungen auf eine Stateless-Hardware zugreifen können, um aus der Business-Logik heraus die Konnektivität, die QoS oder die Sicherheitsanforderungen zu definieren“, so Ulrich Hamm von Cisco. „Und das natürlich auch standortübergreifend. Am Ende steht irgendwann die Controller-Federation, um eine Ende-zu-Ende-Provisionierung erreichen zu können.“

Für Brocade steht das virtualisierte Datacenter im Mittelpunkt der Entwicklung, von der physikalischen Ebene über virtualisierte Netzwerke bis hin zum übergreifenden Netzwerk-Controller, ergänzt durch geeignete Werkzeuge für die Orchestrierung. „Über kurz oder lang werden wir zu einem voll virtualisierten Datacenter gelangen. Brocade liefert bereits heute das gesamte Netzwerk von der Physik bis hinauf zu den Virtualisierungslayern einschließlich NFV. Besonders Ethernet-Fabrics spielen im virtualisierten Datacenter eine herausragende Rolle.“, so Johannes Weingart.

„Bei Carrier-Ethernet besteht bereits eine umfassende Service-Definition mit E-LAN, E-Line, E-Tree und E-Access inklusive der dazugehörigen Monitoring- und Maintenance-Strukturen. Das wird auf Techniken wie SDN abgebildet werden. Damit werden völlig neue, dynamische Lösungen möglich“, so der MEF-Co-Chair weiter.

Unterschiedliche Visionen

„Die Vison der ONF ist simpel: Die globale Umsetzung des SDN-Paradigmas. Das relevante Thema für die nächsten Jahre ist sicher die Ebene, die über dem Controller liegt, um die Anwendungsebene besser zu integrieren“, erklärt Fabian Schneider von NEC / ONF. „Als NEC werden wir verstärkt SDN-fähige und ONF-zertifizierte Produkte anbieten und integrieren. Ziel ist es, den Innovationszyklus in Netzen drastisch zu verkürzen.“

Für Michael Vollert von Spirent ist die Sicherstellung der User-Akzeptanz von herausragender Bedeutung. „Solange nicht sichergestellt ist, dass der Anwender Vertrauen in die Funktionalität, Qualität und Performance neuer Technologien hat, kommen diese nicht zum Fliegen.“

„Make your Network mobile“  ist für Olaf Hagemann das Ziel. „Die nächsten Schritte auf dem Weg dahin sind die Stärkung der Northbound-API sowie einer Art East-West-API, also die Frage, wie reden denn in Zukunft die verschiedenen Datacenter-, Transportnetz- und der Security-Edge-Controller miteinander. Dazu müssten alle die gleiche Policy-Sprache verstehen.“

Für Johann Strauss von Huawei ist das Zusammenspiel der verschiedenen Datacenter-, Carrier- und Enterprise-Netze das prägende Zukunftsthema. „Wir benötigen ein Cloud-Operating-System. Das kann nicht proprietär sein, sondern muss auf offenen Standards beruhen. Das gilt für MEF, ONF oder auch Openstack. Huawei glaubt, dass die Weiterentwicklung von Netzen vor allem durch Vereinfachung getrieben sein muss. Ansätze wie SDN und NFV bieten hierfür beste Voraussetzungen und sind daher wichtige Säulen der ´Huawei SoftCOM-Architektur´.“

Aus Sicht der Service-Provider sieht Patric Groß, das Thema SDN gar nicht als so neu, aber auch als Chance, Schritt für Schritt voranzukommen. „Wir müssen als Datacenter-Provider bei einer derart großen Anzahl von Kunden und dem großen Datenaufkommen sicherstellen, das neue Lösungen auch einen Wertzuwachs darstellen. Wir haben Kontrolle, Sicherheit und Bandbreite. Wenn wir eine neue Flexibilität hinzufügen, die auf der Software-ebene passiert, dann erwarten wir natürlich auch höchste Zuverlässigkeit. Wir sehen dem zuversichtlich entgegen, wenn das gegenwärtige Maß an Sicherheit garantiert werden kann. Für die T-Systems steht im Vordergrund, ein Betriebsmodell zu schaffen, in dem Applikationslandschaften unabhängig voneinander betrieben und weltweit flexibel bereitgestellt werden können“, so Schnapauff. „Das sind Freiheitsgrade, die wir zurückgewinnen möchten. Cloud-Brokerage oder Orchestration werden dann erst praktisch lebbar. Bis dahin ist noch ein Stück Weg zu gehen.“

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