LANline: Die in Rechenzentren verwendeten Kühlmittel sind oft entweder umweltschädlich oder leicht entzündlich, während aber direkte freie Kühlung im Sommer unmöglich ist. Welche Möglichkeiten sehen Sie denn jenseits der Abwärmenutzung, die Kühlung der Rechenzentren in Deutschland energieeffizienter auszulegen?
Ralph Hintemann: Je höher die Temperaturen im Server-Betrieb sind, und je mehr Alternativen wie adiabate Kühlung zum Einsatz kommen, desto weniger Konvektionskühlung ist nötig. Wenn die Leistungsdichten in Rechenzentren weiter so zunehmen, wird Heißwasserkühlung sicher ein Thema. Jeder Server-Hersteller beschäftigt sich damit, nicht nur in HPC-Bereich. Wir werden allein schon durch den Phase-out von F-Gasen der EU auf alternative Kältemittel umsteigen müssen, trotz der Zurückhaltung in der Branche. Derzeit streiten die Experten, ob die alternativen Kältemittel so effizient sind wie die klassischen. Klar ist jedenfalls: Nicht nur durch den Stromverbrauch verursachen Rechenzentren Treibhausgase – aus Umweltsicht müssen auch die Kältemittel und die Herstellung der Geräte beachtet werden.
LANline: Welche Fördermaßnahmen gibt es von staatlicher Seite für die energetische Erneuerung von Rechenzentren, und wie ist deren Akzeptanz?
Ralph Hintemann: Grundsätzlich gibt es zum Beispiel im NAPE (Nationaler Aktionsplan Energieeffizienz, d.Red.) Möglichkeiten für solche Förderungen. Ein Problem der Förderprogramme für Rechenzentren ist allerdings: Es dauert oft zu lange, bis die Förderung genehmigt wird, und es ist zu umständlich. Deshalb wird das von der Branche nicht in der Breite angenommen. Denn wer heute ein RZ bauen will, der will schnell bauen. Außerdem fördern solche Programme meist nur, was über die übliche Technik hinausgeht, das ist finanziell oft gar nicht so viel. Aber es gibt auch neue Förderprogramme zur Abwärmenutzung, zudem eine Förderung für die Beratung zur Energieeffizienz, das ist insbesondere für kleinere Unternehmen interessant.
LANline: Für diverse Einsatzfälle richten sich Unternehmen letzthin wieder verstärkt lokale RZ-Kapazitäten ein, Stichwort Edge Computing. Oft sind das kleine Rechenzentren bis hin zum Mikro-RZ. Was bedeutet das für die Energieeffizienz?
Ralph Hintemann: Das ist ein komplexes Thema, denn jeder versteht unter „Edge“ etwas anderes, vom Mikro-Rechenzentrum bis hin zu „Edge“-Rechenzentren von Hyperscalern mit 1.000 qm Fläche. Wenn viele kleine Installationen aufgebaut werden, besteht die Gefahr, dass die Energieeffizienz aus dem Blickfeld gerät, weil ihr für den einzelnen Standort nicht mehr so große Bedeutung beigemessen wird. Umgekehrt liegt hier aber auch eine Chance, durch Edge Computing das Gesamtsystem effizienter zu gestalten, denn man muss nicht mehr so viele Daten an große Rechenzentren übertragen. Noch ist offen, welche Wirkung das Edge Computing letztlich haben wird.
LANline: Mit der Digitalisierung steigt quer durch die Branchen das Datenaufkommen enorm, und damit auch der IT-Bedarf, um diese Daten zu aggregieren, zu speichern, per Backup zu sichern, auszuwerten und für aufwendigere Analysen, etwa mittels KI, in Data Lakes vorzuhalten. Es scheint, als sei Datensammeln um jeden Preis das Gebot der Stunde. Sehen Sie Ansätze, um den Energiebedarf der Digitalisierung nicht ebenso hoffnungslos eskalieren zu lassen wie den Datenhunger?
Ralph Hintemann: In Bezug auf die Datenmenge liegt zunächst Optimierungspotenzial darin, nicht einfach alles zu speichern, sondern zu überlegen, was und wie wir Daten speichern. Da sind wir wieder beim Thema Edge: Welche Daten kann man vorverarbeiten, bevor man sie überträgt und zentral speichert? Dennoch müssen wir in kommenden Jahren mit sehr viel mehr Datenaufkommen rechnen und damit auch mit höherem Energiebedarf. Denn wenn wir alles digitalisieren wollen, muss es auch irgendwo laufen. Das muss aus Nachhaltigkeitsgründen nicht schlimm sein, wenn wir es in anderen Bereichen schaffen, deutlich Energie einzusparen, also zum Beispiel: Videokonferenz statt Dienstreise. Seit Corona weiß man, dass das geht. Wir erwarten, dass ein Drittel der Dienstreisen dauerhaft wegfallen werden. Im Bereich Home-Office ist die Umweltbilanz nicht ganz so einfach. Wenn man mehr zu Hause ist, benötigt man dort mehr Energie und vielleicht auch eine größere Wohnung. Ziele, die früher auf dem Weg zur Arbeit lagen, fährt man nun vom Home-Office aus separat an. Vielleicht sucht man sich auch ein neues Domizil im Grünen. Außerdem gibt es inzwischen mehr Beschäftigte, die von Urlaubsorten aus arbeiten wollen. Ich weiß von einer Ferienanlage in Italien, die inzwischen das ganze Jahr über ausgebucht ist – das kannte man dort früher nicht. Bei der Digitalisierung gibt es immer vielfältige Wechselwirkungen zu beachten. Die Formel „digital = grün“ ist jedenfalls bisher oft nicht richtig. Wir müssen einiges dafür tun, dass eine digitale Zukunft auch eine nachhaltige Zukunft wird.
LANline: Herr Hintemann, vielen Dank für das Gespräch.