Die Weichen für den praktischen Einsatz von GAIA-X sind gestellt. Seit Anfang Juni wurden die sogenannten Federated Services ausgeschrieben, die wesentliche Funktionen und Rollen sowie Funktionsweisen im GAIA-X Ökosystem technisch beschreiben. Dazu sind Open-Source-Lösungen gut geeignet, da sie Flexibilität und Unabhängigkeit ermöglichen. Zudem besteht die Möglichkeit die Lösungen durch bereits langjährig erprobte Cloud Stacks zu ergänzen.
Ein weiterer Schritt die GAIA-X-Initiative in die Praxis zu implementieren, erfolgte im Sommer 2021. Im Juli hat das Bundeswirtschaftsministerium 11 Gewinner-Konsortien gekürt, die im Rahmen eines Förderwettbewerbs verschiedene Anwendungen im digitalen Ökosystem Gaia-X eingereicht hatten. Für die Förderung der Leuchtturmprojekte stehen knapp 180 Millionen Euro bereit. Das Themenspektrum der Projekte ist breit und umfasst Vorhaben aus Bau- oder Energiewirtschaft ebenso wie aus dem öffentlichen Sektor, der Bildung und dem Gesundheitssektor. Mit Autowerkstatt 4.0 soll beispielsweise eine Plattform für den sicheren Austausch von Daten und KI-Modellen zur Digitalisierung der Autowerkstatt-Branche geschaffen werden. Die Beschleunigung von Digitalisierungsprozessen in der Luft- und Raumfahrtbranche steckt hinter dem Projekt Cooperants und der Aufbau besonders geschützter Datenräume und Dienste für den Bildungsbereich ist unter dem Projektnamen Merlot aufgehangen.
Die Anforderungen an Cloud-Dienste und Netzwerke sind hoch und nehmen in Bezug auf Latenz Bandbreite, Sicherheit, Resilienz, Dynamik und Überwachung weiter zu. Dieser Herausforderung nimmt sich das Projekt Tellus an, das ebenfalls für eine Förderung ausgewählt wurde. Ziel ist die Erweiterung der Dateninfrastruktur von verschiedenen Cloud-Ökosystemen, wodurch sich eine leistungsfähige Anbindung und Integration von heterogenen Netzinfrastrukturen etablieren lässt. Um eine Ende-zu-Ende Vernetzung mit Garantien für Hybrid-Cloud-Szenarien unter Berücksichtigung von kritischen Anforderungen zu ermöglichen, entwickelt Tellus ein Overlay über Kaskaden von Cloud-Anbietern, Vernetzungsdienstleistern und Cloud-Anwendern. Integrierte Softwareinstanzen und homogene Schnittstellen sollen die Verbindungen zwischen den einzelnen Anbietern schaffen. Für Interaktionen zwischen Anbietern (Cloud) und Anwendern (Industrieunternehmen) für kritische Tellus-Anwendungen müssen alle Elemente einer Anbieter-Kaskade (Unternehmensnetz, Anschlussanbieter, Netzbetreiber, Internetknoten, Cloud-Anbieter) technisch integriert werden und die Anforderungen in allen Dimensionen netzseitig Ende-zu-Ende (E2E) sicherstellen. Im Ergebnis soll das Modell Multi- und Hybrid-Cloud-Szenarien realisieren, die über alle infrastrukturellen Komponenten standardisiert sind – mit definierten Schnittstellen, die eine Interoperabilität und Portabilität von Daten und Diensten über verschiedenste Anbieter und Applikationen gewährleisten. So entsteht ein föderiertes, aber homogen nutzbares Ökosystem, das Innovationen speziell im Maschinenbau ermöglicht und in puncto Performance in der Lage ist, zu den Hyperscalern aufzuschließen.
Laut dem Annual Internet Report (2018–2023) von Cisco wird es bis 2023 vier Milliarden vernetzte Geräte/Verbindungen geben – davon allein zwei Milliarden in Europa (2018: 1,2 Mrd.). Für die Nutzung der damit verbundenen Potenziale schafft Tellus eine wichtige Grundlage: Es entsteht ein Ökosystem aus Angeboten über Providerkaskaden hinweg, die schnell aktiviert werden können. Für die Nutzung der Potenziale und der konkreten Ende-zu-Ende-Serviceangebote dieses Ökosystems sinken außerdem die Markteintrittshürden – übrigens auch für kleinere und weniger finanzstarke Anbieter. Auch sie profitieren demnach von Prozessoptimierungen, Effizienzgewinnen und Innovationspotenzialen durch die Cloud – unter Vermeidung von Risiken für die Datensouveränität und einen Vendor Lock-in.
Jörg Heese ist Senior Partner Manager Cloud Services bei Ionos SE