Produkte und Dienstleistungen, die digital genutzt werden, müssen ab Juni 2025 barrierefrei(er) sein. Neben Herstellern und Importeuren können auch ITK-Fachhändler mehrfach von den Anforderungen des BFSG betroffen sein. Zwei Kurz-Checks liefern Klarheit.
Das Barrierefreiheitsstärkungsgesetz (kurz BFSG)1 verpflichtet erstmals auch private Wirtschaftsakteure zu mehr digitaler Barrierefreiheit. Produkte und Dienstleistungen, die digital genutzt werden – zum Beispiel Computer und Smartphones, aber auch Telekommunikations- und Bankendienstleistungen –, müssen ab dem 29.06.2025 barrierefrei(er) sein. Doch nicht nur Hersteller, Importeure und Händler der Produkte oder Anbieter der Dienstleistungen sind betroffen: Alle Unternehmen und sogar Vereine müssen bis zum 28.06.2025 – unter Umständen – Apps, Online-Shops sowie Webseiten barrierefrei gestalten. ITK-Fachhändler können deshalb gleich mehrfach von den Anforderungen des BFSG betroffen sein.
Finden Sie anhand von zwei Kurz-Checks heraus, ob Sie einfach oder sogar mehrfach davon betroffen sind. Aber lesen Sie auch welche Vorteile Ihnen die Barrierefreiheit bietet.
Sind Sie Importeur, Distributor, Channel-Partner oder Reseller eines der folgenden Produkte …
… oder Dienstleistungen?
Wenn Sie eines der Produkte importieren, vermarkten oder direkt an Verbraucher verkaufen. Oder wenn Sie eine dieser Dienstleistungen mitanbieten, gehören Sie zu den Wirtschaftsakteuren, die zukünftig dafür Sorge tragen müssen, dass alle Produkte, die nach dem Stichtag 28.06.2025 produziert werden, und alle Dienstleistungen, die ab dem 29.06.2025 genutzt werden, den Anforderungen des BFSG entsprechen. Das betrifft bei den Dienstleistungen auch alle laufenden Verträge, die vorher abgeschlossen wurden.
Umsetzungs-Tipps
Gehören Sie zu den Leistungserbringern?
Viele Organisationen nutzen bei der digitalen Kommunikation mit Verbrauchern Dienstleistungen der Telemedien, Bankdienstleistungen oder Leistungen des elektronischen Geschäftsverkehrs (E-Commerce). Damit werden Sie – dem BFSG nach – zu sogenannten Leistungserbringern.
Wenn Sie nur eine der folgenden Fragen mit „Ja“ beantworten, gehören Sie zu den Wirtschaftsakteuren, die bis zum Stichtag ihre Apps, Online-Shops oder Webseiten für Verbraucher barrierefrei(er) gestalten müssen. Davon gibt es nur diese zwei Ausnahmen:
Fragen zu Apps/Online-Shop*:
Fragen zur Website**:
* Wenn die App oder der Online-Shop in Ihre Website integriert sind, müssen sowohl die App beziehungsweis der Shop als auch die gesamte Website barrierefrei gestaltet sein. Wenn Sie nur auf eine separate App oder einen separaten Online-Shop verlinken, die nicht direkt mit Ihrer Website verknüpft sind, müssen Sie möglicherweise nur die App oder den Online-Shop barrierefrei gestalten.
Vorsicht jedoch bei der Ermittlung, ob Sie zu den Kleinstunternehmen gehören: Es kommt nicht auf den Jahresumsatz der App oder des Online-Shops und die Anzahl der dafür beschäftigten Mitarbeiter an, sondern auf die Zahlen Ihres gesamten Unternehmens. Es sei denn, Sie haben die App oder den Online-Shop als eigenständiges Unternehmen gegründet.
** Wenn die Services auf Ihrer Website mit einer Dienstleistung im elektronischen Geschäftsverkehr in Verbindung stehen, bedeutet das, dass nach den Vorschriften des BFSG die gesamte Website barrierefrei gestaltet sein muss.
Umsetzungs-Tipps
Jeder Zweite in Deutschland würde von mehr digitaler Barrierefreiheit profitieren. Motorisch oder sensorisch behindert sind wir schon, sobald wir ein Kind auf dem Arm halten. Eine visuelle Beeinträchtigung bemerkt jeder, wenn Sonneneinstrahlung verhindert, dass wir auf dem Display alles gut erkennen können. Eine auditorische Behinderung kann bereits durch den Umgebungslärm eines Großraumbüros oder einer Baustelle entstehen. Kognitiv beeinträchtigt sind wir, wenn wir versuchen, Multitasking zu betreiben, oder wenn jemand zum Geburtstag einen Sekt ausgegeben hat. Situative Einschränkungen sind vielfältig und sie passieren jedem.
Zudem gibt es temporäre Behinderungen: wie zum Beispiel den Arm in Gips oder den Verband um den schmerzenden Finger. Vielleicht ist ein Auge verletzt oder wir haben gerade unsere Brille verlegt. Auch eine Ohrenentzündung, ein Hörsturz, Migräne oder Müdigkeit können uns bei der Bedienung von Apps, Online-Shops, Webseiten, E-Books und digitalen Dokumenten beeinträchtigen.
Die Anzahl derer, die mit situativen und temporären Behinderungen zu kämpfen haben, lässt sich statistisch nicht erfassen. Zugleich liegt die Zahl derer, die permanent betroffen sind, aber höher, als man denkt:
Zusammengefasst sind 47,1 Millionen Menschen betroffen. Sicher gibt es Schnittmengen der Betroffenen-Gruppen und damit in dieser Zahl eine gewisse Mehrfach-Erfassung. Dennoch lässt sich unterm Strich wohl sagen, dass jeder Zweite in Deutschland von digitaler Barrierefreiheit profitieren würde. Und demnach könnten noch viel mehr Menschen noch viel einfacher bei Ihnen kaufen – egal ob barrierefreie Produkte und Dienstleistungen oder Zubehör.
Deshalb ist für Sie nicht allein die Frage entscheidend, ob Sie als Organisation rein rechtlich unter das BFSG fallen. Sondern ob Sie die wichtige Zielgruppe der Menschen mit einer dauerhaften, temporären oder auch nur situationsbedingten Beeinträchtigung weiterhin als mögliche Kunden ausschließen wollen.
Die Kurz-Checks und Informationen (Stand Oktober 2023) stellen eine Orientierungshilfe dar – sie sind keine Rechtsberatung. Außerdem können die Forderungen des Barrierefreiheitsstärkungsgesetzes noch angepasst oder erweitert werden.
Das Gesetz ist unter unter https://www.bmas.de/DE/Service/Gesetze-und-Gesetzesvorhaben/barrierefreiheitsstaerkungsgesetz.html einsehbar. Die etwas leichter verständlichen Leitlinien zum Gesetz finden sich hier: https://www.bundesfachstelle-barrierefreiheit.de/SharedDocs/Kurzmeldungen/DE/leitlinien-und-rechtsverordnung-zum-bfsg.html.
1 https://www.bmas.de/DE/Service/Gesetze-und-Gesetzesvorhaben/barrierefreiheitsstaerkungsgesetz.html