Ob Unterschrift oder Urlaubsantrag: Vieles lässt sich digital erledigen. Doch wie sieht es aus in der Verwaltung von Unternehmen? Ein Gespräch mit Sebastian Evers von D.velop über den digitalen Status quo in deutschen Büros von Unternehmen, die zugleich eine hoch automatisierte Fertigung haben.
funkschau: Wie nehmen Sie den Status quo der Digitalen Transformation in der Verwaltung aktuell wahr?
Sebastian Evers: Die Corona- beziehungsweise die Homeoffice-Situation hat in etlichen Bereichen Schwachstellen offengelegt. Viele haben zum Beispiel gemerkt, dass es aus dem Homeoffice heraus schwierig ist, Vertragsprozesse zu managen, wenn dafür noch das physische Dokument oder der physische Ordner benötigt wird.
funkschau: Ein klassischer Aspekt wäre diesbezüglich wohl das Thema „Unterschrift“...
Evers: Absolut. Dort, wo eine elektronische Signatur nicht möglich ist, müssen Ordner physisch hin- und hergefahren werden. Das bindet Personal und kostet Zeit. Eine elektronische Signatur eines Vertragswerks hingegen ist eine Sache von wenigen Minuten. Beim Thema elektronische Signatur konnten wir zu Beginn der Pandemie eine starke Nachfrage wahrnehmen; damals haben wir innerhalb weniger Wochen über 100 neue B2B-Organisationen gewinnen können, die eine digitale Lösung wünschten.
funkschau: Woher kommt das Festhalten an analogen Prozessen – und am Papier?
Evers: Für mich ist das Vertrauen ins Digitale ein Schlüssel bei diesem Thema. Ich habe wahrgenommen, dass es lange Jahre ein Mindset gegeben hat, dass es zwar schön ist, Information auch digital abgelegt zu haben; aber zur Sicherheit wollte man das ausgedruckte Dokument vor sich liegen haben oder den Aktenordner im Schrank wissen. Es gab eben ein gewisses Misstrauen gegenüber dem Digitalen und man hat das Physische dann doch als sicherer empfunden.
funkschau: Und wie weit ist es mit dem Vertrauen ins Digitale schon gediehen?
Evers: Ich denke, das Vertrauen ins Digitale ist auch ein Generationenthema. In den Unternehmen sind mittlerweile auch in Führungspositionen immer mehr Menschen aus jüngeren Generationen, die dieses Urvertrauen ins Digitale mitbringen. Menschen, die das Haptische und Physische nicht mehr benötigen.
funkschau: Sie kommen viel bei Ihren Kunden und potenziellen Neukunden herum. Welche digitalen Reifegrade finden Sie dort vor?
Evers: Bei den Verwaltungsprozessen befassen sich heute tatsächlich noch sehr viele Unternehmen erstmalig mit digitalen Lösungen, beispielsweise eingehende Lieferanten-Rechnungen eben nicht mehr von Hand im ERP-System zu erfassen und zu verbuchen. Die Unternehmen ersetzen diese manuellen Prozesse durch automatisierte Vorgänge, indem sie auf Software umsteigen. So können Rechnungsinhalte vollautomatisiert per KI extrahiert werden und dann entsprechend auch eine Verbuchung automatisiert erfolgen. Also eigentlich ein Automatisierungsprozess, wie man ihn in der Produktion schon lange hat.
funkschau: Ist denn in Unternehmen, die eine hochmoderne Produktion haben, auch die Verwaltung digital gut aufgestellt?
Evers: Das sollte man meinen. Aber es ist ein Paradox: Da gibt es in den Unternehmen Produktionsstraßen, die sie mit viel Liebe zum Detail automatisieren. Wenn man sich das mal grundsätzlich vor Augen führt: Da wird gefühlt vorne ein Aluminium-Klotz in eine Fertigung gegeben, unzählige Roboterarme tun irgendwas und hinten fällt dann so ein ABS-System raus.
funkschau: Von solchen Abläufen können viele in der Verwaltung wahrscheinlich nur träumen…
Evers: Richtig. Denn oft kommen Sie in Unternehmen mit einem hohen Grad an Automatisierung in der Produktion in den Verwaltungstrakt und stellen fest: Dort wird sehr manuell und papierlastig gearbeitet. Ich bin jetzt seit über 20 Jahren in diesem Software-Umfeld unterwegs und schmunzele manchmal schon in bestimmten Situationen. Da denkt man sich: Das Projekt hätten wir eigentlich vor 20 Jahren schon genauso machen können.
funkschau: Können Sie das konkretisieren?
Evers: Zum Beispiel, wenn es um die zentrale Bereitstellung von Dokumenten aus verschiedenen IT-Systemen geht. Sehr viele Projekte aus der Industrie zielen erstmal darauf ab, überhaupt die Informationen mit relevanten Geschäfts-Vorgängen zu verknüpfen. Das sind letztlich Themen, die in der ECM-Industrie schon in den 90er Jahren erdacht worden waren. Da kann man sehen, dass in einigen Organisationen im administrativen Umfeld ein gewisser Aufholbedarf besteht. Und wir haben immer noch Kundenanfragen, die möchten gerne eine digitale Personalakte einführen. Das ist rational nicht zu erklären, dass Unternehmen, die schon seit Jahrzehnten voll automatisierte Fertigungsstraßen haben, im Jahr 2021 Personalakten noch in der Kladde im Registerschrank hängen haben. Es ist aber Fakt.