All-IP

Langsames Herausaltern

27. August 2019, 10:30 Uhr |
© Bild: fs Quelle: 123rf

Mit etwas Verzögerung geht die All-IP-Umstellung auf die Zielgerade – zumindest für die Deutsche Telekom. Denn in den Unternehmen selbst werden ISDN und entsprechende Geräte noch für einige Zeit eine wichtige Rolle spielen. Der Abschied ist aber unausweichlich.

Es war ein Mammutprojekt, das sich die Deutsche Telekom vorgenommen hatte. Weit über 20 Millionen Anschlüsse sollten bis Ende 2018 von ISDN auf IP umgestellt, das vor rund 30 Jahren in Deutschland gestartete Integrated Services Digital Network somit in einer vergleichsweise kurzen Zeit abgelöst und abgeschaltet werden. So hoch gesteckt das Ziel, so groß der losgelöste Diskurs. Verbraucherschützer, Hersteller, Privat- und Unternehmenskunden – zahlreiche Stimmen befürchteten zum jeweiligen Stichtag stumme Leitungen, rauschende Gespräche oder kreideten die durchaus holprig ausgefallene Kundenkommunikation des Bonner Netzbetreibers an, die hauptsächlich durch die Kündigung der alten Festnetzanschlüsse von sich reden machte.

Einige Jahre später steht dieses Mammutprojekt kurz vor seiner Beendigung, ein Großteil der Anschlüsse wurde bereits auf All-IP migriert, im Privatkundebereich will die Telekom den Prozess im Laufe des Jahres – mit einigen Monaten Verspätung – abschließen. Die Umstellung im Geschäftskundenumfeld wird hingegen noch einige Zeit in Anspruch nehmen, aktuell spricht der Netzbetreiber von Ende 2020. „Hier führt die Komplexität mancher ISDN-Installationen, insbesondere in Szenarien mit vielen Primärmultiplex/S2M-Anschlüssen, zu merklichen Verschiebungen“, erklärt Tarik Erdemir, Vice President Router & VPN-Gateways bei Lancom. Auch der Netzwerk-Hersteller rechnet daher damit, dass die Umstellung noch bis ins nächste Jahr andauern wird. Wie Klaus Müller, Leiter Strategische Entwicklung und Transformation bei der Telekom, Mitte 2018 erklärte, handelte es sich aber um weniger als 100.000 Geschäftskunden der Bonner, die zu diesem Zeitpunkt noch über PMX-Anschlüsse kommunizierten.

Nach wie vor viele ISDN-Installationen
Zwar betreiben verschiedene Anbieter wie M-Net oder Vodafone ISDN bis 2020 beziehungsweise 2022 weiter, aber auch sie weisen diese Jahre ganz klar als Übergangszeit aus, um Kunden gegebenenfalls eine längere Frist für den Umstieg zu eröffnen. Fest steht aber: Sowohl bei der Telekom als auch den Mitbewerbern steht das Ende von ISDN ins Haus, die deutschlandweite Migration ist so gut wie abgeschlossen. Jetzt liegt es in der Hand der Unternehmen, ihre interne Infrastruktur – TK-Anlagen, Endgeräte, Türsprechanlagen und andere Sonderdienste – ebenfalls für die IP-Welt zu rüsten. Noch fällt die Wahl in den meisten Fällen aber auf eine Überbrückung der bestehenden Systeme via Adapter oder Gateway, nicht auf eine umfassende Modernisierung. Die Gründe dafür sind oftmals eindeutig: „Hat ein Kunde eine ISDN-TK-Anlage gemietet oder bereits lange abgeschrieben, ist es meist einfacher, für eine Neuanschaffung zu argumentieren, als wenn die ISDN-Anlage noch recht neu ist und allen Anforderungen des Kunden genügt“, sagt Randolf Mayr, Produktmanagement bei Bintec Elmeg. „Auf der anderen Seite haben viele Unternehmen ihre TK-Umgebung tief in betriebsinterne IT-Abläufe und Prozesse integriert. Es sind funktionierende Lösungen installiert worden, die jetzt nicht nur aufgrund einer Änderung des physikalischen Sprachanschlusses umgeworfen werden sollen – vor allem, wenn sich die Gesamtlösung dadurch nicht verbessert.“

Aufgrund langfristiger Mietverträge oder nicht abgeschriebener ISDN-Geräte ist auch nach Abschluss der Anschluss-Umstellungen nicht damit zu rechnen, dass Unternehmen ihre interne Infrastruktur ebenfalls mit einem Schlag für die IP-Welt rüsten. Vielmehr ist laut Erdemir von Lancom mit einem „natürlichen Herausaltern“ der Systeme zu rechnen. Denn zu Beginn der All-IP-Umstellung war es auch „vielfach ein absolut richtiger Schritt, die vorhandene Installation durch ein Gateway am Leben zu erhalten“, sagt Frank Riepe, Teamleiter Fachhandelsbetreuung bei Agfeo. „Viele dieser Installationen laufen auch heute noch, im Regelfall klanglos.“ Anwenderunternehmen könnten sich daher durchaus die Zeit nehmen, eine Installation „ohne Zeitdruck“ zu bewerten, um dann eine Umrüstung oder Neuinstallation in Angriff zu nehmen.

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