Dass vor Ort nicht immer die modernste Technologie vorhanden ist, kann auch Holger Bachert, Geschäftsführer des Systemhauses Comtel, berichten. »ISDN gehört nach wie vor zum Standard.« Dessen Wegfall sei aber in den nächsten Jahren nicht aufzuhalten. Bis es allerdings soweit ist, setzt Comtel auf migrierte Lösungen, die auch noch über 2018 problemlos nutzbar sein sollen. Dass ISDN über diesen Zeitpunkt hinaus eine wichtige Rolle spielen wird, davon geht Peter Schicht, Partnerbetreuer bei Servonic, aus. »Nehmen wir an, es ist 2018: Niemand wird panikartig seine TK-Anlage rauswerfen.« Er erwartet stattdessen, dass viele Unternehmen ein Gateway nutzen und bei ihrer internen Netzwerk-Infrastruktur weiterhin auf ISDN setzen werden. Schicht macht diese Einschätzung daran fest, dass IP-Telefonie immer noch mit einigen Problemen einhergehe, besonders bezüglich der Sprachqualität. Und dass vermeintlich überholte Technologien oft eine breite Basis im deutschen Markt haben, zeigt nicht zuletzt, wie gefragt Fax-Dienste bei Servonic sind. »Interessanterweise haben wir die Erfahrung gemacht, dass trotz aller Unkenrufe Fax nach wie vor die mit am meisten nachgefragte UCC-Funktion ist«, so Jochen Klein, Geschäftsführer des Anbieters.
Aber nicht nur die Vorbehalte gegenüber IP, auch die derzeitige Kommunikationsstrategie der Telekom sorgt vielerorts für Zurückhaltung bei Unternehmen. »Die Interessenten sind verunsichert«, so Bachert. Vor allem bei kleineren Kunden mache die Telekom einen gewissen Druck, gerade wenn noch ein MSN-Anschluss aus der Vergangenheit vorhanden sei. »Dies wird oft zur Angriffsfläche für den Vertrieb der Telekom.«
Jedoch scheint die IP-Umstellung je nach Unternehmen verschieden weit fortgeschritten und punktuell gibt es schon erste Schwerpunktverlagerungen zugunsten der neuen Technologie. »Von den verkauften Telefonie-Anschlüssen haben die IP-basierten Anschlüsse die ISDN-Anschlüsse bereits überholt. Solange es hier aber Nachfrage nach ISDN und die notwendige Hardware für ISDN gibt, wird QSC auch weiterhin ISDN unterstützen«, erklärt Peter Güldenberg, Leiter Indirekter Vertrieb bei QSC. Der Telekommunikationsanbieter hat IP-Telefonie jedoch schon seit über einem Jahrzehnt in seinem Portfolio und damit eine entsprechend lange Vorlaufzeit. Dieselben Hürden, vor denen viele Anbieter jetzt stehen, hatte das Unternehmen ebenfalls zu nehmen. »In den Anfangsjahren mussten wir tatsächlich große Überzeugungsarbeit bei potenziellen Kunden leisten«, sagt Güldenberg. Das hätte unter anderem mit Vorurteilen gegenüber der Qualität von IP-Telefonie zu tun gehabt. »Diese wurden mittlerweile abgebaut. Seitdem die Telekom den flächendeckenden Schwenk auf All-IP angekündigt hat, verzeichnen wir erheblichen Zulauf«, so der Vertriebsleiter.
Es braucht also noch Zeit und Überzeugung, bis nicht nur der Bonner Netzbetreiber seine Infrastruktur umgerüstet hat, sondern bis auch die Technik der vielen Unternehmenskunden auf den neuesten Stand gebracht wurde. Bis dahin müssen Händler beraten, vielerorts über Vorteile aufklären und nicht zuletzt Überzeugungsarbeit leisten, diese Investition zu tätigen, bevor auch das letzte ISDN-Gerät aus den Angeboten der Hersteller verschwindet. Dass der Komplettumstieg kommt und dass er mit zahlreichen Vorteilen einhergeht, daran haben aber nur die wenigstens potenziellen Kunden Zweifel. »Der Wegfall von ISDN wird in den nächsten Jahren nicht aufzuhalten sein, da die IP-Technik nahezu unbegrenzte Möglichkeiten für zukünftige Implementierungen bieten wird«, sagt Bachert im Gespräch mit CRN.
Mit jedem Projekt, das im Zeichen der Modernisierung steht, haben Systemhäuser die Möglichkeit, neue Technologien zu implementieren und eben jene Themen in den Markt zu tragen, die Hersteller und Netzbetreiber schon mit Nachdruck vermarkten. Gerade Angebote für Cloud-Telefonie, die aktuell erst rund zwei Prozent Anteil am deutschen Markt haben, dürften nochmals einen bedeutenden Schub erhalten. Beispielsweise geht Nfon-CEO Martin Czermin davon aus, dass dieser Wert in kommender Zeit auf 30 bis 40 Prozent anwächst. »Wir sehen ein starkes Wachstum durch All-IP. Die nächsten drei bis vier Jahre sind entscheidend«, so Czermin. »Cloud wird salonfähig.« Auch Kuder von Microsoft spricht sich für die Cloud aus. »Der Wandel der Kommunikationslandschaft trägt zur größeren Akzeptanz der Cloud bei: Wer seine immer häufiger mobil arbeitenden Mitarbeiter in die Kommunikationsstruktur seines Unternehmens einbinden, Teams vernetzen und gleichzeitig sensible Firmendaten schützen will, kommt um die Cloud nicht herum.« Laut dem Cloud-Monitor 2015 des Bitkom stehen der Technologie dieses Jahr erstmals mehr Menschen aufgeschlossen gegenüber, als Personen, die sie ablehnen. Von einer aufgeschlossenen Haltung bis hin zu einer tatsächlichen Lösung kann es allerdings ein langer Weg sein. »Hinsichtlich der Tatsache, dass Cloud-Produkte durch die Industrie und die Netzbetreiber immer weiter in den Vordergrund rücken, bereitet sich der Handel bereits auf die Produkte vor«, sagt Lüttjohann. »Dies wird allerdings noch seine Zeit brauchen und sowohl beim Verbraucher als auch beim Handel ist weiter Aufklärungsbedarf von Nöten.«