Arbeitsplatz der Zukunft

Prozessoptimierung entgegen der Intuition

15. Mai 2017, 15:17 Uhr | Autor: Stefan Adelmann
© Sipgate

Sipgate hat einen massiven Kulturwandel hinter sich. Aus der Software-Entwicklung heraus erfassten agile Prozesse das komplette Unternehmen und sorgten für eine teils schmerzhafte Transformation des Mittelständlers. Jetzt ist der Telefonie-Anbieter eine Blaupause für den Arbeitsplatz von morgen.

Es ist anstrengend und tut weh“, sagt Tim Mois. Ein Kulturwandel im Unternehmen ist kein einfacher Prozess, das zeigt sich schnell im Gespräch mit dem Sipgate-CEO. Wer den Arbeitsplatz der Zukunft selbst gestalten will, der darf sich nicht nur auf Smartphones und Vertrauensarbeitszeiten verlassen. Die Transformation erfordert ein teils grundlegendes Umdenken, wie der Düsseldorfer Telefonie-Anbieter selbst erfahren hat.

1998 gründete Tim Mois zusammen mit Thilo Salmon noch im Studentenwohnheim den Tarifvergleich „billiger-telefonieren.de“, aus dem 2004 Sipgate mit anfangs 13 Mitarbeitern hervorging. Der Erfolg kam schnell, schon 2010 waren es insgesamt 70 Angestellte – die Größe machte dem Unternehmen jedoch zu schaffen. Drei Jahre zuvor hatte Sipgate mit der Entwicklung einer Cloud-Telefonie-Lösung für Unternehmenskunden begonnen, aufgrund der nicht reibungslosen Abläufe im wachsenden Team kam der Prozess laut Mois aber nur sehr langsam voran. „Wir haben das Produkt 2010 auf den letzten Drücker fertiggestellt“, so der CEO. „Und dabei haben wir letztlich viele Mitarbeiter verloren.“ Potenzielle Neubewerber entschieden sich hingegen für bekanntere und größere Mitbewerber, da Sipgate nichts in der Hand hatte, um sich „gegen die anderen behaupten zu können.“

Agile Entwicklung

Ein kritischer Zeitpunkt war erreicht. Der Erfolg des Unternehmens stand auf der Kippe, die Führungsspitze musste handeln. „Hätten wir damals nichts gemacht, dann wären wir heute vielleicht nur noch zehn Mitarbeiter“, sagt Mois im Gespräch mit funkschau. Besonders die Software-Entwicklung musste wieder schneller werden.

In der Softwareabteilung legte Sipgate den Grundstein für die folgende Transformation: Innerhalb von zwei Jahren stellte das Unternehmen seine Prozesse auf Scrum um, ein Modell der agilen Softwareentwicklung und des Produktmanagements, das eine inkrementelle Vorgehensweise beschreibt. Zwar basiert Scrum auf der Annahme, dass sich Projekte vorab nicht planen lassen, über die Strukturierung der Arbeitsabläufe innerhalb der Teams wird jedoch eine Effektivitätssteigerung erzielt. Einfach war die Umstellung für Sipgate jedoch nicht. „Scrum und Agile sind gegen die Intuition“, erklärt Mois. Demnach müssten Mitarbeiter das Vorgehen in Frage stellen, das sie sich über Jahre und Jahrzehnte angeeignet hatten, um es durch neue Abläufe zu ersetzen. Unter anderem kommt „Pairing“ zum Einsatz. Dabei arbeiten zwei Entwickler an einem Rechner, der eine tippt als „Driver“, der andere soll als „Navigator“ den Überblick behalten – und beide wechseln die Rolle regelmäßig. Ein auf den ersten Blick wenig intuitives und lohnendes Vorgehen, immerhin wird die doppelte Arbeitskraft auf ein Ziel angesetzt. Wie Mois in seinem Buch „24 Work Hacks“ beschreibt, soll der erstellte Code aber eine höhere Qualität aufweisen und das Unternehmen vermeidet Wissensinseln. Wenn ein Mitarbeiter krank ist, kann der andere die Arbeit fortführen.

Nichtsdestotrotz stellte Scrum das komplette Unternehmen auf die Probe. „Der Prozess erfordert von jedem Mitarbeiter ein Umdenken, das war sehr anstrengend für alle“, sagt der CEO rückblickend.

Daraufhin hätten sich viele Mitarbeiter entschieden, Sipgate zu verlassen. Von den Kündigungen waren alle Bereiche und Gruppen betroffen. Die Umgewöhnung sei aber besonders schwierig gewesen, wenn jemand über lange Zeit in einer gewohnten Struktur gearbeitet hätte.

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