Und doch: Hundertprozentige Ausfallsicherheit kann nicht gewährleistet werden, das kommuniziert ein Großteil der IP-Centrex-Anbieter offen. „Ausfälle können nie richtig ausgeschlossen bleiben“, erklärt Galakhova. Zwar ist meist von einer Ausfallsicherheit von 99,9 Prozent und mehr die Rede, aufgrund der fehlenden Handlungsmöglichkeiten für Kunden fallen Störungen aber zumindest gefühlt stärker ins Gewicht. Wieder reine Kopfsache? Die Cloud-Telefonie-Anbieter sind sich der Problematik bewusst. „Wenn eine Störung vorliegt, dann steigt der Blutdruck, da es alle Kunden betrifft die einen bestimmten Service nutzen“, erklärt Städing. „Die Masse treibt den Betreiber vor sich her. Dass dieser ein hohes Interesse hat, dass jede Störung sofort behoben wird, liegt auf der Hand.“ Aus diesem Grund haben die meisten Cloud-Telefonie-Anbieter mittlerweile verschiedene Tools im Portfolio, um Störungen melden zu können oder schlicht um mit Technikern in Kontakt zu treten. Mit rund um die Uhr erreichbaren Support-Teams, Erreichbarkeitsmanagement oder Rufumleitungsfunktionen wollen die Unternehmen den Sorgen um die Zuverlässigkeit der Cloud entgegenwirken. „Diesen Service muss jeder seriöse Netzbetreiber und Diensteanbieter anbieten, was im Vergleich zu früher für die TK-Anlage kein üblicher Service war, insbesondere nicht bei kleinen Anlagen“, so Städing. „Ein Cloud-Anbieter für TK-Anlagen muss sofort entstören, ohne Rumgeeiere.“
Bandbreitenprüfung
Probleme können letztlich aber externe Faktoren machen. Es sollte laut Wichmann und Weller vor jeder Migration genau geprüft werden, ob genügend Bandbreite vorhanden ist. „Sowohl lokal als auch im Weitverkehrsnetz ist eine breitbandige Internetanbindung klare Voraussetzung für jeden Cloud-Dienst“, erklärt der Toplink-Geschäftsführer. Der Anbieter setzt bei jeder Umstellung auf ein fünfstufiges Vorgehensmodell aus Evaluierung, Planung, Umsetzung, Parallelbetrieb und Portierung, um auch in der Übergangsphase den Betrieb lückenlos gewährleisten zu können. „Erst wenn alles geprüft ist und funktioniert, erfolgt die Rufnummernportierung und das alte System wird abgeschaltet“, erklärt Weller. Branchenspezifische Anforderungen sollen hingegen kein Stolperstein mehr darstellen. So bestätigen verschieden Anbieter gegenüber funkschau, dass sie mittlerweile auch Voice-Lösungen im Banken- oder Versicherungsumfeld implementiert haben. Zwar gibt es in vereinzelten Fällen rechtliche Grauzonen, aber eher auf Kundenseite: „Just gibt es ja Bankhäuser, die sogar eine Kontoeröffnung via Videotelefonie durchführen“, sagt Städing. „Ich bezweifle, dass diese Dienste konform mit der aktuellen Rechtsprechung gehen. Stichwort: Datenschutz.“
Fernab solcher Einzelfälle sehen die Hersteller aber alle branchenspezifischen Vorgaben abgedeckt. Das gelte auch für Branchen mit besonderen Compliance- oder Sicherheits-Anforderungen wie etwa Finanzdienstleister, erklärt Weller. Für nicht umsetzbare Projekte müsse man hingegen schon sehr weit ins Detail gehen. „Es gibt spezielle Szenarien, zum Beispiel bei Unternehmen mit großem Werksgelände und eigener Werksfeuerwehr, bei denen lokale Lösungen eingebunden werden müssen oder der Umstieg aus wirtschaftlicher Perspektive kurzfristig nicht sinnvoll ist“, sagt der Voiceworks-Geschäftsführer. „Diese Beispiele machen aber nur wenige Prozent des Marktes aus und liegen außerhalb unserer Zielgruppe.“
Individuelle Lösungsansätze
Die wachsende Zahl der IP-Centrex-Anbieter tut viel dafür, um gerade dem deutschen Mittelstand die Sorge vor dem Weg in die Cloud zu nehmen. Einige dieser Befürchtungen, gerade im Hinblick auf die Zuverlässigkeit, mögen sicherlich „psychologischer Natur“ sein, wie Weller sagt. Und doch gilt es für ITK-Entscheider abzuwägen, wie kritisch Geschäftsprozesse sind und wie hoch die Bereitschaft ist, den direkten Zugriff im Störungsfall aus der Hand zu geben. „Je nach Lösung gibt es verschiedene Wege, um Fehlerquellen zu vermindern und dem IT-Team den Zugriff auf relevante Kontrollen zu bieten“, erklärt Sergio de Oliveira, Product Manager bei NTT Europe. Er plädiert für einen Hybrid-Ansatz, vorausgesetzt, dass Unternehmen inhouse über die Ressourcen und Fähigkeiten verfügen. „So behält der Kunde den Zugriff auf die geschäftskritischen Systeme, die er unterstützen will, und kann die nicht kritischen Diens-te über die Cloud nutzen.“
Ob Hybrid oder gänzlich aus der Cloud – daran, dass die Goldgräberstimmung im Managed Service-Markt weiter anhalten und dass auch der Marktanteil von IP-Centrex-Lösungen noch steigen wird, gibt es praktisch keine Zweifel. Es gilt für Unternehmen vorab lediglich zu prüfen, wo Bedenken berechtigt – und wo sie reine Kopfsache sind.