Diese kreative Komponente ist schon in vielen Tätigkeiten enthalten, wird aber meist gar nicht explizit erwähnt. Content Manager, Workspace Designer und nicht zu vergessen der CDO – sie alle müssen zu einem großen Teil kreativ sein, um neue digitale Lösungswege aufzugleisen. Hier geht es zwar im Kern auch um ein technisches Verständnis, zu einem hohen Anteil aber auch darum zu wissen, wie die Technologie kontextuell eingesetzt werden kann, um Nutzen zu bringen. Auch die Bewerbersuche läuft meist noch nach dem klassischen Muster ab. Häufig kommen Bewerber zum Zug, die vor allem technische Expertise vorweisen können. Hier fühlen sich die männlichen Bewerber angesprochen. Da ist es naheliegend, dass dieser den Job am Ende auch bekommt. Viele Frauen fallen damit im wahrsten Sinne des Wortes durchs Netz. Wer künftig mehr weibliche Kandidaten ansprechen möchte, für den beginnt die Arbeit de facto schon vor der eigentlichen Stellenausschreibung. Denn auch das noch so kreativ gestaltete Gesuch ist noch lange kein Garant für mehr weibliche Kandidaten.
Wer beispielsweise einen weiblichen Data Scientist sucht, braucht eine realistische Analyse im Vorfeld der Stellenausschreibung. Hier kommt es vor allem darauf an, gängige Rollen- und Positionsklischees auszuhebeln, sowie eine Sprache zu wählen, die gezielt auf weibliche Bewerber eingeht. Denn Frauen lesen Stellenanzeigen tendenziell anders. Das hat die TU München bereits 2014 genauer untersucht. Dabei fand sie heraus, dass Wörter wie „zielstrebig“ und „durchsetzungsstark“ ganz klar an den Frauen abprallen, da kann die Position noch so reizvoll sein. Das weibliche Geschlecht fühlt sich vielmehr angesprochen, wenn es beim Job um „engagiertes Verhalten“, „Gewissenhaftigkeit“ oder „Kontaktfreudigkeit“ geht. Viel zu häufig wird aber genau hier seitens der Führungskräfte noch stark entlang gängiger Stereotypen vorgegangen, und das eigentlich Schlimme daran: völlig unbewusst. Und nach einer kläglichen Ausbeute heißt es dann: „Wir wollten ja die Frauen, aber es bewerben sich keine.“
Genderbewusste Führung vorleben
Daher: Wem es wirklich ernst mit dem erhöhten Frauenanteil im eigenen Unternehmen ist, sollte sich vor allem Gedanken darüber machen, welchen Zugewinn die weiblichen Fähigkeiten ihm in Hinblick auf vernetzte Arbeitsstrukturen bescheren könnten. Denn Frauen sind in vielen Fällen nicht nur kreativ, sondern können sich oft auch gut auf Teams einstellen, kompetente Mitarbeiter groß werden lassen und verfügen über gute kommunikative Kompetenzen. Letzteres ist eine wichtige Facette in Veränderungsprozessen, in denen sich auch die IT-Industrie befindet. Hinzu kommt: Wer eine Frau ins Entscheidergremium befördert, setzt damit möglicherweise einen Schneeballeffekt in Gang. Denn gute Führungsfrauen ziehen meist weitere Mitarbeiterinnen nach sich. Eine Chance, die man angesichts eines knappen Fachkräftemarktes nicht vernachlässigen sollte. Diese Führungsfrauen können als Vorbilder für den weiblichen Nachwuchs fungieren, und mit den blockierenden Stereotypen, wie starker Technikfokus und wenig Kreativität, glaubwürdig aufräumen. So eine Strategie sollte allerdings langfristig angelegt werden und nicht die einzige Maßnahme bleiben, die IT-Unternehmen anschieben, um das weibliche Geschlecht zu erreichen. Denn Frauen erwarten ein attraktives und vor allem flexibles Arbeitsumfeld. Was in der IT allerdings nicht sonderlich schwerfallen dürfte, zumal diese Industrie digitale Tools in ihrer DNA hat und ihr Geld damit verdient. Gerade weil Frauen noch Mangelware sind, müssen sich Unternehmen stärker als bisher ganzheitlich ins Zeug legen – und sich den weiblichen Bedürfnissen öffnen. Das geht von der Bewerberinnenansprache über Mentoring-Programme bis hin zur Veränderung der Kultur durch mehr Diversität.
Aber am Ende des Tages entscheidet immer noch die Denk- und Sichtweise der Entscheider darüber, ob und wie Frauenkarrieren im Unternehmen gefördert werden. Wie bereits erwähnt, gibt es in der IT bereits erste gute Beispiele dafür, dass das gelingen kann. Hier stoßen gerade auch männliche Vorstände und Führungskräfte das Thema aktiv an und begreifen sich selbst als Paten. Andere fassen Frauenförderung gleich zu Diversity zusammen und wieder andere verankern die Förderung von Frauen gleich in ihren Zielvereinbarungen. Damit gehen sie auf Nummer sicher, dass die Kollegen hier auch aktiv werden.
Silvia Hänig ist Communication Strategist bei iKom