Das Wettrennen um die Vorherrschaft im KI-Space nimmt Tempo auf. Der Druck ist hoch, denn wer die Führung im KI-Bereich übernimmt, kann künftig zur technischen Supermacht werden.
Ein bisschen erinnert der Konkurrenzkampf an den Wettlauf zum Mond der 60er Jahre. Ähnlich wie damals geht es um Entwicklungen, die die Welt für die nächsten Jahrzehnte prägen. Derzeit liegen die USA und China mit Abstand vorn, so die Studie „The AI Space Race“, für die Netapp CEOs und IT-Führungskräfte in den USA, China, Großbritannien und Indien befragt hat. Keines der Länder sieht sich selbst jedoch unbestritten als KI-Führer. Alle investieren stark in KI-Projekte und halten sich für wettbewerbsfähig. Das Ergebnis des Rennens ist also völlig offen.
Hat Deutschland noch eine Chance aufzuholen?
Während die USA und China davon spurten, steht Europa in der Kritik, zu langsam zu sein. Doch wer übereilt nach vorne prescht, macht Fehler und geht höhere Risiken ein. Nicht final durchdachte Projekte geraten schneller in Schwierigkeiten – eine Erfahrung, die China bereits mit der neuen Seidenstraße machen musste. Das gigantische Infrastrukturprojekt, mit dem die Weltmacht neue internationale Handels- und Transportwege schaffen will, war in einigen Ländern schon in der Planung überdimensioniert. Das hohe Tempo bei der Umsetzung nahm entsprechend wenig Rücksicht auf die Ausführungsqualität. So musste zum Beispiel der Bau des Tiefseehafens in Sri Lanka gestoppt werden.
Dennoch legt China bei seiner KI-Strategie den Schwerpunkt auf eine schnelle Umsetzung. 35 Prozent der in der Netapp-Studie befragten chinesischen Führungskräfte stufen die Skalierbarkeit als wichtigste KI-Fähigkeit ein – 11 Prozent mehr als der weltweite Durchschnitt. Unternehmen in den USA legen dagegen vor allem Wert auf Integration und ein nachhaltiges KI-Wachstum.
Mit Vollgas ins Risiko
Was die Mehrheit der weltweit Befragten vereint, ist jedoch die Sorge über Risiken wie fehlerhafte Modelle, verzerrte Ergebnisse oder Sicherheitslücken. Zu Recht – wie das jüngste Fiasko um Elon Musks KI-Applikation Grok zeigt. Der Chatbot hatte antisemitische Beiträge veröffentlicht, in denen er Adolf Hitler anpries. Jeder, der schon einmal generative KI eingesetzt hat, kennt das Risiko für gefährlichen Output und Halluzinationen. Solche Vorfälle zeigen, dass aktuelle Sprachmodelle eben nicht denken können, sondern Wörter anhand von statistischen Berechnungen kombinieren. Dabei unterscheidet die KI nicht zwischen wahr oder falsch, vertrauenswürdigen Quellen oder Meinungsmanipulation. Mit einem intelligenten Daten-Management lassen sich die Risiken für Halluzinationen jedoch zumindest im unternehmenseigenen Betrieb eindämmen. Denn die Hauptursache für schlechte KI-Ergebnisqualität sind mangelhafte Trainingsdaten, Fehler in den Metadaten und fehlendes Kontextwissen.
EU-Politiker sehen sich durch den Grok-Vorfall darin bestätigt, wie wichtig es ist, KI zu regulieren – so geschehen mit dem EU AI Act, der seit dem 1. August 2024 verbindlich in allen Mitgliedsstaaten gilt. Ab dem 2. August 2025 greifen die Anforderungen zur Risikominderung für KI-Modelle mit allgemeinem Verwendungszweck, zu denen auch generative KI zählt.
Die USA zeigen sich dagegen wenig beeindruckt und lehnen eine KI-Regulierung ab. Als eine seiner ersten Amtshandlungen hatte Donald Trump ein Dekret mit KI-Regeln der Biden-Regierung wieder abgeschafft. Auch Urheberrechte in KI-Anwendungen zu beachten, ist für den US-Präsidenten wenig relevant, wie er auf einem KI-Gipfel im Juli 2025 verkündete. Deswegen müssen sich amerikanische KI-Modelle künftig nicht mehr daran halten – Deregulierung vs. Schutz geistigen Eigentums. Beim Pariser KI-Gipfel im Februar dieses Jahres weigerte sich US-Vizepräsident JD Vance sogar, die gemeinsame Abschlusserklärung zur Eindämmung von KI-Risiken zu unterschreiben. China indes war bereit zur Zusammenarbeit. Tatsächlich hatte die dortige Regierung bereits 2023 selbst Maßnahmen zur Regulierung von generativer KI erlassen.
Verantwortung statt Tempo
Auch wenn der EU AI Act in der Kritik steht, die KI-Entwicklung in Europa auszubremsen, ist das langsamere, durchdachtere Vorgehen sicherer. Am Ende kann es sich auszahlen: Langfristig kann sich niemand unkontrollierte Risiken leisten. Deutsche Unternehmen haben jetzt die Chance, aus den Fehlern der Vorreiter zu lernen und ihre eigene KI-Strategie zu entwickeln. Der entscheidende Erfolgsfaktor ist ein zukunftsfähiges, intelligentes Daten-Management. KI-optimierte Dateninfrastruktur bildet die Grundlage für schnelle Umsetzung, hohe Ergebnisqualität und Compliance. Unternehmen müssen in der Lage sein, Daten über verschiedene Umgebungen hinweg sicher und in Echtzeit für KI-Anwendungen bereitzustellen und Speicher-Ressourcen effizient zu nutzen. Außerdem muss Deutschland stärker in den Ausbau von Rechenzentren und in spezielle Hardware für künstliche Intelligenz investieren. Diese Faktoren bilden das Rückgrat für Digitalisierung und KI-Fortschritt. Der Branchenverband Bitkom fordert daher einen „Aktionsplan Rechenzentren“ von der Bundesregierung.
Fazit: Ein durchdachtes Vorgehen zahlt sich aus
Deutschland hinkt derzeit zwar im KI-Wettlauf hinterher, aber noch ist das Rennen offen. Ohne die richtige Dateninfrastruktur läuft niemand ins Ziel. Während andere Nationen auf Tempo setzen oder Risiken ignorieren, können deutsche Unternehmen mit einem durchdachten, verantwortungsbewussten Ansatz punkten. Denn nicht Geschwindigkeit und der Hype um künstliche Intelligenz werden letztlich gewinnen, sondern eine zukunftsfähige, datenzentrische KI-Innovation.
Begoña Jara ist Vice President für Deutschland bei Netapp.