Doch das Problem der Bündelungen hat weitreichende Folgen für die gesamte Wirtschaft: Erstens sorgt die genannte Marktmacht also dafür, dass andere Anbieter ihre Strategie dann auf Marktnischen ausrichten müssen. Dadurch wird der Wettbewerb in den Nischen aufgrund des beschränktem Marktpotentials größer. Das kann für Kunden natürlich von Vorteil sein, wenn die Anbieter versuchen, sich mit Produktnutzen zu über- und mit den Preisen zu unterbieten. Allerdings wirkt dies in einem begrenzten Nischenumfeld nur kurzfristig. Denn die wenigsten Anbieter überleben solch einen harten Konkurrenzkampf dort auf Dauer.
Zweitens kommen Innovationen ins Stocken. Denn bei vielen Nischen-Anbietern handelt es sich um deutsche oder europäische Start-ups und IT-Firmen, die mit ihren neuen und teilweise disruptiven Geschäftsideen die Digitalisierung vorantreiben wollen und die digitale Souveränität der EU sichern sollen. Durch die gegebene Wettbewerbssituation können solche Unternehmen in der Nische jedoch nicht ihr Wachstumspotential entfalten und werden verhältnismäßig kleine Anbieter blieben – und das, obwohl man doch in Europa starke Wettbewerber etablieren will. Die in der Öffentlichkeit häufig diskutierten Themen Digitalisierung und digitale Souveränität bleiben dann deutlich unter den Möglichkeiten und werden nicht dem gerecht, was wir in Deutschland und der EU eigentlich benötigen.
Und drittens wäre der Markt ohne solche Bündelungen wahrscheinlich vielfältiger. Es gäbe mehr Anbieter von innovativen IT-Produkten und branchenfokussierten Lösungen. Die Anbieter würden sich besser auf die individuellen Bedürfnisse von Unternehmen und Branchen ausrichten. Die Anwender könnten stärker von spezifischen Lösungen für ihre Einsatzszenarien profitieren und ihre digitalen Herausforderungen besser meistern. Insgesamt würde die Produktivität dieser Unternehmen steigen und sie könnten auch ihre eigenen Kunden besser bedienen, wovon letztendlich die gesamte Volkswirtschaft profitieren würde.
Insgesamt mag das stark aus der Perspektive eines deutschen Anbieters betrachtet erscheinen. Und ändern kann man das Ganze sowieso nicht mehr. Wichtig für die Zukunft ist es daher, dass Entscheider in Unternehmen verstehen, wie sich solche Bündelungen grundsätzlich auswirken können, und dabei kritisch hinterfragen, welche IT-Lösungen für die Anwendungsfälle und Digitalisierungspläne des eigenen Unternehmens wirklich geeignet sind.
Über den Autor:
Tobias Stepan ist Gründer und Geschäftsführer der Teamwire GmbH, die sich auf die sichere Kommunikation und mobile Zusammenarbeit von Unternehmen, Behörden und im Gesundheitswesen spezialisiert hat. Zuvor setzte er als Berater Wachstums- und Sanierungsprojekte bei Hightech-Unternehmen um und baute das Europa-Geschäft des amerikanischen IT-Start-ups Servo bis zum Exit an die japanische Kii Corporation auf. Tobias Stepan engagiert sich für die mobile Digitalisierung und ein starkes, europäisches IT-Ökosystem.