Dementsprechend haben sich auch in diesem Markt neue Player etabliert: Internet-Service-Provider, die nicht vom klassischen Modell der Telekom-Service-Provider ausgehen, welche auf die vorhandene Infrastruktur mit neuen Diensten aufsetzen. Unternehmen wie „Skype“ oder „1&1“sind nicht zuletzt deshalb erfolgreich, weil sie ohne proprietäre Altlasten flexibel und schnell reagieren können. Sie können zum Beispiel neue Services in wenigen Tagen, und wenn es sein muss auch innerhalb von Stunden, aufsetzen. Herkömmliche Anbieter, also die großen Telekommunikations-Provider, müssen, um im Markt bestehen zu können, neue optimierte Prozesse und flexible Infrastrukturen implementieren.
Als Konzept dafür hat sich die Network-Functions-Virtualization (NFV) herausgebildet. Der Begriff „Virtualisierung“ verweist auf die Wurzeln dieses Konzepts: Bei Servern wird die Trennung von physischer Hardware und einer logischen Schicht, die dem Anwender die Funktionalität der Hardware nun als Services zur Verfügung stellt, schon seit Längerem vorgenommen und hat sich mittlerweile als Standard etabliert. NFV führt das analog im Netzwerkbereich durch, indem einzelne Netzwerkfunktionen von der proprietären Hardware-Basis getrennt und per Software als Services realisiert werden. Die dabei entstehenden Software-basierten Lösungen laufen auf einer Standard-Hardware-Plattform. So werden beispielsweise Load-Balancer oder Firewalls nicht mehr als besondere Hardware bereitgestellt, sondern per Software auf handelsüblichen Servern als nunmehr virtuelle Load-Balancer oder Firewalls – oder genauer: als Load-Balancer- oder Firewall-Services.
Da diese spezifischen Funktionalitäten – die virtuellen Netzwerkfunktionen (VNF) – also rein Software-mäßig realisiert werden, sind NFV-Netzwerke sehr flexibel; neue Services lassen sich einfach durch die Implementierung einer entsprechenden Software kurzfristig aufsetzen.
In einem weiteren Schritt werden die VNFs so verbunden, dass sie in Form von Service-Chains für den Anwender Dienste bereitstellen. Diese werden durch Open-Source-Frameworks wie Openstack konfiguriert, verwaltet und überwacht. Service-Provider können diese virtuelle Infrastruktur mit einem bestehenden oder neuen Orches-trierungssystem verbinden. Dies ermöglicht ihnen, ihre Betriebsunterstützungssysteme (Operations-Support-System/OSS und Business-Support-Systems/BSS) für Abrechnungen und die Bereitstellung von Dienstleis-tungen schnell zu integrieren.
Für Telekom-Service-Provider bietet dieses Verfahren eine Reihe von Vorteilen. Sie können sich aus dem bestehenden Hardware-Lock-in befreien und die proprietären Bestandteile ihrer Hardware durch standardisierte Server- und Netzwerk-Komponenten ersetzen. Sie erhalten damit mehr Flexibilität und können neue Mehrwertdienste dynamisch bereitstellen, um veränderte Anforderungen schnell zu erfüllen. Auf der anderen Seite werden sowohl Investitionen als auch Betriebskosten deutlich reduziert, zum einen weil Standard-Komponenten von Haus aus preiswerter sind, zum anderen, weil das Management virtueller Systeme des operativen Betriebs in hohem Maße automatisiert und damit vereinfacht werden kann. Zwischen dem Konzept des Software-Defined-Networking (SDN) und NFV gibt es Überschneidungen. Stellt NFV (frühere) Hardware-Komponenten in Software dar, so reduziert SDN die Komplexität der Netzwerke durch die Implementierung einer Software-definierten Kontrollebene, die von der darunterliegenden Hardware abstrahiert; dieses flexible, abstrakte Kontrollkonstrukt ist von der jeweiligen Architektur abgekoppelt und ermöglicht ein herstellerunabhängiges Netz-Management.