Noch sind deutsche Unternehmen zurückhaltend, wenn es darum geht, Strukturen in die Cloud auszulagern. Laut DMRZ-Geschäftsführer Rüdiger Sievers hätten Sorgen um Kontrollverlust aber keine rationale Grundlage. Nichtsdestotrotz sei das Cloud-Geschäft immer noch Überzeugungsarbeit.
funkschau: Gerade im deutschen Mittelstand gibt es weiterhin eine lebhafte Diskussion um das Für und Wider von Diensten aus der Cloud. Wie einfach oder schwierig ist es heutzutage, Kunden vom Weg in die Cloud zu überzeugen?
Rüdiger Sievers: Bei dieser Fragestellung ist es wichtig, sich zu verdeutlichen, dass das Thema Cloud zwar bei uns im Channel seit Jahren omnipräsent und auch in den Medien stark repräsentiert und teils überrepräsentiert ist, dass der kleine, mittelständische Unternehmer in Deutschland damit geschäftlich aber bisher bei weitem weniger Berührungspunkte hat als auch nach der hohen Werbeaktivität der großen Player wie Microsoft, Google, Amazon oder Telekom zu vermuten wäre. Für die meisten IT-Dienstleister steht fest, dass in Zukunft ein immer größerer Teil des Marktes durch Cloud-Dienstleistungen ausgemacht werden wird. Dies wird entweder begrüßt oder es wird als Notwendigkeit erkannt, sich mit dem Thema zu beschäftigen, um nicht abgehängt zu werden und potenzielle Kunden an den Wettbewerb zu verlieren. Während sich für uns also die Frage, „Auf die Cloud setzen oder nicht?“, gar nicht stellt und es eher darum geht, für diese neuen Rahmenbedingungen Wirtschaftlichkeitsmodelle zu finden, ohne einer Konsolidierungswelle zum Opfer zu fallen, kann der Kunde sich, aktuell noch, frei entscheiden. Das bedeutet, dass dieser sich nicht einfach deswegen für die Cloud entscheidet, weil es die Cloud ist, sondern, dass das aus der Cloud angebotene Produkt überzeugen muss. Dies oft sogar noch mehr als klassische Produkte, die nicht mit den gängigen Cloud-Vorbehalten zu Daten- und Ausfallsicherheit zu kämpfen haben.
funkschau: Wie kann unter diesen Gesichtspunkten ein Einstieg in die Cloud gelingen?
Sievers: Einen guten Einstieg bietet das Segment Cloud-Communication. Hier ist die Einstiegsschwelle in die Cloud und die Komplexität der Realisierung eher gering. Hinzu kommt, dass die Umstellung auf All-IP und die damit verbundene Kündigung der alten ISDN-Anschlüsse durch die Provider den Kunden praktisch „zwingt“, sich mit dem Thema internetbasierte Dienste näher zu beschäftigen. Des Weiteren sind moderne IP-Telefonielösungen wie beispielweise „Swyxware“ so leistungsfähig, dass sie auch aus sich heraus im Vergleich zu klassischen Telefonanlagen überzeugen. Vergleichen lässt sich die Ausgangslage vielleicht mit dem Bereich E-Mobilität. Nur die Wenigsten kaufen ein Elektroauto allein deshalb, weil es eben ein Elektroauto ist, auch wenn vielen klar ist, dass diese Technologie die Zukunft ist. Erst wenn die entsprechenden Produkte auch als Gesamtpaket überzeugen, wird die Vermarktung deutlich einfacher. Das DMRZ setzt daher ausschließlich auf solche erprobten Cloud-Lösungen, die dem Kunden einen echten Mehrwert gegenüber herkömmlichen Szenarien bieten, und verfügt über ein deutschlandweites Netzwerk aus etablierten Partnern, sodass Kunden immer von einem regionalen Ansprechpartner profitieren, was ebenfalls dazu beiträgt noch vorhandene Vorbehalte abzubauen.
funkschau: Welche Rolle spielen dabei der Standort Deutschland sowie diverse Zertifizierungen?
Sievers: Der Standort Deutschland beziehungsweise Europa bietet einen Wettbewerbsvorteil gegenüber den Vereinigten Staaten. Die Datenschutzbestimmungen sind deutlich strenger und die Möglichkeiten der Einsichtnahme in Daten, die in der Cloud gespeichert sind, beispielsweise durch Behörden, wesentlich kleiner. So lassen sich besonders sensible Kunden eher für Rechenzentren in Deutschland gewinnen, auch wenn es Konkurrenzangebote von einem der großen Player aus den USA gibt. Im Zweifelsfall kann dieser das Rechenzentrum sogar selbst besuchen. Gerade für mittelständische Systemhäuser kann der Standort ein entscheidender Faktor sein, um einen Interessenten zu gewinnen. Eine Zertifizierung; zum Beispiel durch den TÜV, hat unserer Erfahrung nach nur bedingt Aussagekraft. Obwohl die Normen teilweise durchaus sinnvoll sind, kommt es dennoch mehr darauf an, dass diese in Unternehmen auch gelebt werden, statt darauf, ob das Unternehmen einen entsprechenden „Stempel“ vom TÜV vorweisen kann. Oft wird hier nur um der Zertifizierung willen etwas vorgegeben, was tatsächlich nicht der Fall ist. Verlassen sollten sich Interessenten eher auf Kundenreferenzen, Marktstellung und Expertise des jeweiligen Dienstleisters. Nur bei Ausschreibung der öffentlichen Hand oder von Konzernen spielen Zertifizierungen eine größere Rolle, da diese oft als notwendige Bedingung vorausgesetzt werden, um überhaupt am Ausschreibungsverfahren teilnehmen zu können.