Noch einmal etwas anders stellt sich die Lage im Geschäft mit gebrauchter Software dar. Da es hier naturgemäß keine physische Abnutzung der Ware gibt, spielen Punkte wie die Zuverlässigkeit grundsätzlich keine Rolle. Die gebrauchte Version einer Software ist immer genauso gut wie die entsprechende Neuware. Und auch die jahrelang im Raum schwebende Frage der urheberrechtlichen Erschöpfung ist inzwischen mehr als ausreichend geklärt. Seit dem richtungsweisenden Urteil des EuGH und der nachgelagerten Präzisierung für den deutschen Markt durch den BGH gibt es seit nunmehr fast fünf Jahren keinen rechtlichen Zweifel mehr daran, dass Software gebraucht verkauft, gekauft und in vollem Umfang genutzt werden darf. Darüber hinaus gibt es inzwischen auch zahlreiche Gerichtsurteile, die Unternehmen und die öffentliche Hand ausdrücklich dazu auffordern, bei Ausschreibungen gebrauchte Softwareangebote zu berücksichtigen. Auch wenn einige noch immer versuchen, diese Vorgabe mit allerlei Tricks zu umgehen, führt das doch allmählich zu einem Umdenken. Immerhin können hier ohne Abstriche Millionen von Euro an Investitionskosten und Steuergeldern eingespart werden.
Durch diese Klarheit wächst der Markt rasant, nach der übereinstimmenden Einschätzung mehrerer großer Anbieter wurden im Jahr 2016 in Deutschland und Europa über 20 Prozent mehr gebrauchte Softwarelizenzen verkauft als im Vorjahr. Insbesondere diejenigen Anbieter, die seit vielen Jahren auf dem Markt sind und sich auch in den schweren Zeiten zahlreicher gerichtlicher Auseinandersetzungen mit den Herstellern gehalten haben, profitieren nun vom mühsam aufgebauten Vertrauen bei den Kunden und konnten ihren Absatz im letzten Jahr um bis zu 50 Prozent steigern. Dass dieses Wachstum noch einige Zeit ungebremst so weitergehen kann, zeigt ein Vergleich mit dem Gesamtmarkt. Laut Bitkom wurden 2016 in Deutschland über 20 Milliarden Euro mit Software umgesetzt, mehr als ein Viertel davon mit sogenannter Standard-Software wie Betriebssystemen und Office-Lösungen. Im Gebrauchtsoftwaremarkt wurden in dieser Zeit nach seriösen Schätzungen nur etwa 50 Millionen Euro umgesetzt. Etablierte Anbieter sehen hier noch ein deutlich höheres Potenzial von bis zu 500 Millionen Euro jährlich.