Medizinische Diagnose

Die Cloud im Dienste der Genomik

31. Mai 2023, 16:20 Uhr | Autor: Jens Dommel / Redaktion: Sabine Narloch

Fortsetzung des Artikels von Teil 1

Datenverarbeitung und Datensicherheit

Aufgrund der Größe eines Genoms ist der Umgang mit den Datenmengen überaus anspruchsvoll. Zahlreiche medizinische und klinische Zentren haben die Genomik bereits als Schlüsselelement bei der Diagnose von seltenen Krankheiten aufgenommen – unter anderem das Projekt Translate-Namse.

Generell lässt sich der Prozess in drei Stufen unterteilen. Zunächst geht es um das Erfassen der Daten (Stufe 1). Dabei werden aus einem Sample – üblicherweise einer Blutprobe – Informationen extrahiert und digitalisiert. Danach werden diese Daten in der Sekundäranalyse aufbereitet (Stufe 2). Es geht hierbei beispielsweise darum, auf Grundlage von diversen Auffälligkeiten Gruppen zu bilden. Anschließend erfolgt die Datenaggregation und Governance (Stufe 3). Mithilfe von Tertiäranalysen wie maschinellem Lernen (ML) lassen sich die Genomdaten im Anschluss auswerten, um passende Medikamente oder Therapieansätze zu entwickeln.

Bei jedem dieser Arbeitsschritte muss stets die Datensicherheit gewährleistet sein. Gesundheitsdaten sind höchst sensibel und müssen DSGVO-konform erfasst, verarbeitet und gespeichert werden. Als personenbezogene Daten über die genetischen Merkmale einer natürlichen Person fallen die genetischen Informationen nach DSGVO (Artikel 4 Absatz 13) unter eine besondere Behandlung.

Sie liefern einzigartige Informationen über die Physiologie oder die Gesundheit und stammen aus der Analyse einer biologischen Probe. In Artikel 34 der DSGVO heißt es, dass genetische Daten als personenbezogene Informationen zu betrachten sind. Damit müssen sie höchsten Sicherheitsstandards entsprechen. Gerade in der Genomik ist dies herausfordernd, wenn Gesundheitsdaten zu Forschungszwecken global zum Einsatz kommen sollen. Bisher wurden sie in diesen Fällen um die ganze Welt in verschiedene Krankenhäuser oder Labore geschickt. Und jedes Mal mussten sie den länderspezifischen Datenschutzgrundlagen entsprechen. Die Cloud-Technologie ermöglicht eine DSGVO-konforme Lösung: Dank der zentralisierten Struktur müssen die Daten nicht mehr verschickt werden, sondern lediglich der Datenzugriff selbst ist zu regulieren. Ferner ist es auch möglich, ML-Modelle in den länderbezogenen Cloud-Instanzen zu verarbeiten, sodass die lokalen Compliance-Regularien erfüllt werden können.

Anwendung in der Praxis

Im Healthcare-Bereich werden Genomik und Cloud für unterschiedliche Einsatzgebiete verwendet – etwa in der Forschung und öffentlichen Gesundheitspolitik. Ein Anwendungsfall ist zum Beispiel die Sequenzierung von Teilen der Bevölkerung im Rahmen der EU-Initiative „1+ Million Genomes“. Mit den dabei gesammelten Informationen lassen sich beispielsweise seltene Krankheiten besser diagnostizieren.

Auch in der Präventivmedizin findet die Genomik mit Cloud-Technologie Verwendung. So würde die Analyse und Manipulation eines Mikrobioms, also die Sammlung von Mikroben auf und im menschlichen Körper, bei einem Onkologie-Projekt mit herkömmlichen Methoden sieben Jahre dauern; durch die Skalierung der Cloud konnte das in sieben Tagen erreicht werden. 

In der Blutkrebsdiagnostik und -forschung war es mithilfe der Cloud möglich, Diagnoseprozesse für Patienten zu verbessern. Durch die Kombination von menschlichem Wissen, maschinellem Lernen (ML) und der Cloud ließen sich die Wartezeiten für Krebsdiagnosen verkürzen und individualisierte Therapien entwickeln. Dies erhöhte die Heilungschancen für die Patienten und ermöglichte die Entwicklung und Entdeckung von Medikamenten, die auf spezifische genomische Signaturen ausgerichtet sind.

Es zeigt sich der Trend, dass immer mehr Kliniken mit Biobanken oder externen Laboren zusammenarbeiten, um die Proben zu sequenzieren. Beispielsweise gibt es Dienstleistungen für die automatisierte Sequenzierung von Genomen („Genomics as a Service“). Hier bieten externe Dienstleister ihre Laborumgebung zur Sequenzierung an. Durch die Cloud-Verbindung zwischen Dienstleistern und Kunden bleiben die sequenzierten Genom-Daten in der Hoheit des Kunden.

Abschließend lässt sich sagen, dass die Genomik in Verbindung mit Cloud-Technologie das Gesundheitswesen grundlegend verändert: Studienergebnisse sind schneller verfügbar, international verteilte Forschungen werden ermöglicht, vereinfacht und es ergeben sich Kostenvorteile. Teure Vorinvestitionen in High Performance Center sind nicht mehr notwendig. Was vorher mit großem finanziellem Aufwand verbunden war, lässt sich nun für die gesamte Bevölkerung als auch für spezifische Forschungsstudien kosteneffizient nutzen.

Jens Dommel ist Head of Healthcare EMEA bei AWS

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