In puncto Quantencomputer hat sich Ende 2021 einiges getan: So hat der Bund sein erstes konkretes Quantencomputer-Projekt gestartet, Studien wurden vorgestellt und IBM kündigte seinen neuartigen Quantenprozessor „Eagle“ an. Eine Momentaufnahme.
Es gibt Themen, die auf der einen Seite so faszinierend und vielversprechend, auf der anderen Seite aber auch so komplex und für Außenstehende unverständlich sind, dass bei einem Schlagwort Aufbruchstimmung und Entmutigung zugleich mitschwingen. Ein solches Wort ist: Quantencomputing. „Es klafft noch eine gewaltige Lücke zwischen der Rolle, die Quantentechnologie künftig spielen wird, der Erwartungshaltung der Unternehmen und ihren eigenen Vorbereitungen“, beschreibt Matthias Frerichs dieses Spannungsfeld. Er ist Leiter der Unit Digital Banking bei Sopra Steria und zuständig für das Thema Quantencomputing. Sopra Steria, Management- und Technologie-anbieter, hat im November die Ergebnisse seiner Potenzialanalyse zu diesem Thema veröffentlicht. Als Quintessenz wird Unternehmen und öffentlichen Verwaltungen eine Lauerstellung attestiert: 57 Prozent der 158 befragten EntscheiderInnen gehen demnach davon aus, dass Quantencomputing neue Geschäftsmodelle eröffnen werde. Doch noch ist das Thema mitunter nicht wirklich greifbar. Vielerorts fehlt zudem das Know-how; in zwei von drei Unternehmen und Behörden seien laut Studie nur geringe oder gar keine Kenntnisse in diesem Bereich vorhanden. Etwas anders sieht laut der Analyse aber in der verarbeitenden Industrie aus – dort schätzt ein Viertel der Befragten aus entsprechenden Unternehmen den Kenntnisstand als hoch oder sehr hoch ein. Darüber hinaus sind potenzielle Anwendungsfelder bereits für viele greifbar: Im Banken- und Versicherungssektor kann dies beispielsweise im Controlling sein, in Industrie-Unternehmen sind Verbesserungen der Logistikprozesse denkbar. Immerhin 23 Prozent der Befragten gaben an, dass ihr Unternehmen in den kommenden drei Jahren strategische Kooperationen eingehen werde, um das Potenzial von Quantencomputing zu erschließen. Bei der Suche nach Partnern haben die Befragten vor allem IT-Unternehmen und Forschungseinrichtungen im Visier.
In puncto Forschung wurde Mitte November 2021 ein erstes konkretes Quantencomputer-Projekt des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF) gestartet: „Quantencomputer-Erweiterung durch Exascale-HPC (Q-Exa)“. Geführt vom deutsch-finnischen Start-up IQM soll der Forschungsverbund einen 20-Qubit-Quantencomputer-Demonstrator auf Basis von supraleitenden Schaltkreisen bereitstellen. Integriert werden soll dieser in das Leibniz-Rechenzentrum (LRZ) der Bayerischen Akademie der Wissenschaften in Garching bei München. Das Projekt gehört zur Fördermaßnahme „Quantencomputer-Demonstrationsaufbauten“, wie auf der Webseite des BMBF nachzulesen ist.
Solche Demonstratoren seien wichtig, um durch Tests frühzeitig Vor- und Nachteile sowie systemspezifische Fehlerquellen zu identifizieren. Mit dem Projekt wolle man ein neues vielversprechendes Kapitel auf dem Weg zum Quantencomputer ,made in Germany‘ aufschlagen, so die zu diesem Zeitpunkt geschäftsführende Bundesforschungsministerin Anja Karliczek. Neben IQM Germany, einem Unternehmen für Quantencomputer-Hardware, und dem Leibniz-Rechenzentrum sind auch das Karlsruher Start-up HQS Quantum Simulations sowie die Science + Computing AG (Atos) aus Tübingen beteiligt. Im Zuge des Projektstarts erklärte Karliczek: „Das internationale Wettrennen im Bereich der Quantentechnologien ist in vollem Gange. Deutschland und die Europäische Union müssen hier zur Sicherstellung unserer technologischen Souveränität mit ganzer Kraft mithalten.“ Man wolle laut Karliczek selbst in der Lage sein, über die Technologie eigenständig zu verfügen und sie entsprechend weiterzuentwickeln.
Quasi zeitgleich zu diesem Projekt haben IQM und Atos in Zusammenarbeit mit dem Analystenhaus IDC ihre erste globale IDC Quantum-Marktstudie präsentiert. Für diese wurden im August 2021 EntscheiderInnen aus 110 der weltweiten Top 500 High-Performance-Computing-Zentren (HPC) befragt. Im Fokus stand, inwieweit Quantencomputing in solchen Zentren bereits zum Einsatz kommt. Grundsätzlich, so die Studienergebnisse, gehöre Quantencomputing zu den drei wichtigsten Technologien der nächsten Jahre – neben Chiplet-basiertem und Memory-Driven Computing. Demnach nutzen 27 Prozent der Befragten Quantencomputer für interne Pilotprojekte und 49 Prozent planen, in den nächsten zwei Jahren auf diesen Zug aufzuspringen. Vorteile erwarte man sich im Zuge der Technologie vor allem bei der Bewältigung neuer Probleme (45 Prozent). Als wichtigste Anwendungsfälle für das Quantencomputing wurden von den HPC-Zentren genannt: die Durchsuchung von Datenbanken (59 Prozent), die Analyse von Investitionsrisiken (45 Prozent), die molekulare Modellierung (41 Prozent) und die Vermögensverwaltung (32 Prozent).