Foodora will mehr als nur Pizza und Burger liefern: Neben Lebensmitteln boomen Segmente wie Beauty, OTC-Produkte und Tierbedarf. Mit Robotik, Partnernetzwerken und neuen Services positioniert sich das Unternehmen als Lifestyle-Plattform für den urbanen Alltag in ganz Europa.
Der europäische Liefermarkt steckt noch mitten in seiner Entwicklung – und Foodora (Eigenschreibweise „foodora“) will ihn prägen. Neben Lebensmitteln wächst die Nachfrage nach rezeptfreien Medikamenten, Vitaminen, Kosmetik und Tierbedarf rasant. Mit starken Partnern aus Handel und Gastronomie, innovativen Services wie geplanter Lieferung oder Saver Delivery und Pilotprojekten mit Robotern und Drohnen will das Unternehmen Kund:innen Zeit sparen und Händlern neue Umsatzpotenziale eröffnen. Ziel ist es, eine Plattform zu schaffen, die über reine Logistik hinausgeht und wirtschaftlichen, digitalen sowie gesellschaftlichen Mehrwert bietet – vom smarten Zahlungsprozess bis zur emissionsfreien Flotte.
connect professional: Wie sehen Sie die mittel- bis langfristige Entwicklung des Delivery-Markts in Europa. Wohin geht die Reise? Wie wichtig sind User Experience, App-Performance und integrierte Services im Wettbewerb um Marktanteile?
Herbert Haas: Der europäische Liefermarkt entwickelt sich weiter, ist jedoch im Vergleich zu anderen Regionen noch in einem früheren Stadium der Entwicklung. Neben Lebensmitteln steigt die Nachfrage nach rezeptfreien Medikamenten, Vitaminen, Kosmetik und Tierbedarf. Foodora entwickelt sich zum Lifestyle-Partner: Wir sparen Kund:innen Zeit und ermöglichen Partnern zusätzliche Umsätze. Dabei gewinnen Auswahl und Erschwinglichkeit an Bedeutung. Kategorien wie Beauty, OTC-Produkte und Vitamine verzeichneten 2023–2024 ein Wachstum von bis zu 150 Prozent (Anm.d.Red.: basierend auf der Zahl für alle Bestellungen für Beauty-Produkte, die von 2022 bis Anfang 2025 bei Foodora aufgegeben worden sind). Unsere Logistik kombiniert intelligente Technologie mit Echtzeitplanung durch spezialisierte Teams und Systeme.
connect professional: Neben Lebensmitteln: Welche Segmente sind für Foodora künftig besonders interessant?
Haas: Lebensmittel sind nur ein Teil unseres Angebots. Wichtige Wachstumskategorien sind Gesundheit, Beauty, Tierbedarf, Elektronik, Bücher und Blumen. Wir arbeiten mit Partnern wie BILLA, PENNY und Tesco sowie Apotheken und Drogerien wie etwa BIPA zusammen, mit dem Ziel, für jeden Alltagsmoment verlässlich zu liefern, meist in 30 bis 60 Minuten.
connect professional: Wie differenzieren Sie sich im zunehmend fragmentierten Markt von anderen Anbietern über Preis und Geschwindigkeit hinaus?
Haas: Im zunehmend fragmentierten Markt setzen wir nicht allein auf Preis oder Geschwindigkeit, sondern auf ein starkes Ökosystem aus lokalen und internationalen Partnern. Wir arbeiten mit führenden Händlern wie ICA oder Coop – und mit Restaurantketten wie McDonald's, Burger King, Domino’s oder KFC. Genauso wichtig sind uns lokale Favoriten, die wir unter anderem über Foodora selection sichtbar machen. Wir verstehen uns nicht nur als Lieferplattform, sondern als Wachstumspartner: Wir helfen Restaurants und Händlern, ihre Reichweite zu erhöhen, Umsätze zu steigern und in einem wettbewerbsintensiven Umfeld relevant zu bleiben. Restaurants auf unserer Plattform verzeichnen im Schnitt 51 Prozent mehr Bestellungen nach sechs Monaten. Auch Marken wie Coca-Cola, Palmolive oder Carlsberg nutzen unser Retail-Media-Netzwerk, um Konsument:innen direkt anzusprechen. Unser Anspruch: eine Plattform, die über reine Logistik hinaus echten Mehrwert für alle Beteiligten schafft – wirtschaftlich, digital und gesellschaftlich.
connect professional: Was erwarten Kund:innen heute von einer Plattform wie Foodora? Was wird künftig besonders wichtig für Loyalität sein? Wie schaffen Plattformen künftig Mehrwert jenseits von Liefergeschwindigkeit.
Haas: Kund:innen erwarten heute vor allem zwei Dinge: ein attraktives Preis-Leistungs-Verhältnis und ein reibungsloses Nutzungserlebnis. Mit Angeboten wie Saver Delivery oder unserem Abo-Modell Foodora PRO ermöglichen wir genau das: Rabatte, kostenlose Lieferungen und exklusive Angebote, ohne Einschränkungen bei Auswahl oder Qualität. Die Loyalität entsteht durch Alltagstauglichkeit. Deshalb haben wir Klarna, Trustly und unser Wallet-Feature integriert, um Zahlungen und Rückerstattungen so schnell und einfach wie möglich zu gestalten. Unser Ziel ist, dass sich der gesamte Bestellvorgang für Nutzer:innen nahtlos, zuverlässig und flexibel anfühlt, unabhängig von Budget oder Bedarf.
connect professional: Beobachten Sie Unterschiede im Nutzungsverhalten je nach Region oder Land? Und wie reagieren Sie strategisch darauf?
Haas: Regionale Unterschiede im Nutzungsverhalten sind meist wirtschaftlich bedingt: In Skandinavien wird pro Bestellung etwas mehr ausgegeben als in Zentral- und Osteuropa – im Wesentlichen durch höhere Kaufkraft. Kulinarisch dominieren überall Comfort-Food-Klassiker wie Burger oder Kebab. Auch bei Lebensmitteln zeigt sich ein einheitliches Bild: Süßwaren, Milchprodukte und Getränke zählen in allen Märkten zu den meistbestellten Kategorien. Saisonal schwanken die Vorlieben – Salate im Sommer, Suppen im Winter. Die Bestellfrequenz bleibt stabil, aber der Preis rückt stärker in den Fokus. Deshalb setzen wir verstärkt auf Rabatte, Bundles und günstige Lieferoptionen – damit es immer einen guten Grund gibt, zurückzukehren.
connect professional: Welche neuen Zustellmodelle oder Fulfillment-Innovationen testen Sie derzeit – insbesondere im Hinblick auf Komfort und Premiumanspruch?
Haas: Wir bieten heute mehrere Zustelloptionen – je nach Bedürfnis: Prio-Lieferung für eilige Bestellungen, geplante Lieferung für exakte Zeitfenster und Saver Delivery für preisbewusste Kund:innen mit mehr Flexibilität. Ergänzend testen wir neue Zustelltechnologien wie Lieferroboter (Starship) und Drohnen (Aviant) in Skandinavien. Diese Modelle befinden sich noch in der Pilotphase, bieten aber großes Potenzial für nachhaltige, urbane Mikrologistik.
connect professional: Wie sehen Sie die Rolle hybrider Konzepte zwischen Online-Bestellung und stationärem Handel?
Haas: Wir sehen hybride Modelle als eine natürliche Weiterentwicklung des heutigen Einkaufsverhaltens: Jemand entdeckt eine lokale Bäckerei über Foodora und besucht das Geschäft in der darauffolgenden Woche in Person. Wir ersetzen den stationären Handel also nicht – wir verstärken ihn. Gerade für kleinere, unabhängige Geschäfte sind wir oft ein Einstieg in die digitale Transformation und ein Weg zu zusätzlichen Umsätzen.
connect professional: Welche Rolle spielt Robotik in Ihrer Zukunftsstrategie sowohl bei der Lieferung als auch in der Logistik?
Haas: Robotik spielt bereits heute eine Rolle in unserem Geschäft – wir testen und setzen sie aktiv ein. In Schweden haben wir im März 2025 gemeinsam mit Starship Technologies Lieferungen per Bodenroboter gestartet, im Februar folgten erste Drohnenlieferungen. Auch in Norwegen und Finnland laufen Tests mit dem Ziel, perspektivisch auch in Teilen Mittel- und Osteuropas zu expandieren. Robotik hilft uns dabei, konkrete Herausforderungen zu lösen, insbesondere im Bereich der Verkehrssicherheit. In städtischen Gebieten mit hohem Verkehrsaufkommen und einem erhöhten Risiko für Kuriere bieten Lieferroboter eine sicherere und kontrolliertere Alternative. Gleichzeitig eröffnet sie neue Perspektiven für die urbane Mobilität – also dafür, wie wir Güter in Städten bewegen können, ohne den Straßenverkehr zusätzlich zu belasten. Wir verstehen Robotik nicht als Ersatz, sondern als Ergänzung zur Arbeit unserer Fahrer:innen. Für Kurzstrecken innerhalb eines kleinen Radius sind Roboter ideal geeignet. Dadurch können unsere Rider sich auf komplexere Strecken konzentrieren. Wir sehen das als eine intelligente Kombination: Roboter übernehmen den Mikromobilitätsbereich, Rider den urbanen Raum. In den meisten Märkten befinden wir uns derzeit noch in der Testphase. Diese Tests waren äußerst hilfreich, um die praktischen Aspekte besser zu verstehen: wie Menschen darauf reagieren, wenn plötzlich ein Roboter vor ihrer Tür steht, wie sich Wetterbedingungen und Gelände auf die Leistung auswirken und wo ein Skalieren tatsächlich sinnvoll ist.
connect professional: Was sind aus Ihrer Sicht die größten technologischen und regulatorischen Hürden für robotergestützte Lieferungen in Europa?
Haas: Regulierung ist stark fragmentiert. Wir müssen mit jeder einzelnen Gemeinde sprechen, um herauszufinden, was möglich ist – was in Schweden erlaubt ist, kann in Tschechien nicht umsetzbar sein. In vielen Fällen betreten wir Neuland, was spannend ist, aber auch bedeutet, dass viel Grundlagenarbeit notwendig ist, um Projekte überhaupt realisieren zu können. Herausforderungen ergeben sich auch aus der städtebaulichen Struktur: Viele europäische Städte wurden nicht für autonome Navigation konzipiert – Roboter müssen mit allem umgehen können, von Kopfsteinpflaster bis zu neugierigen Passant:innen. Wir sind grundsätzlich optimistisch, gehen aber davon aus, dass sich diese Technologien schrittweise skalieren lassen – mit klaren Rahmenbedingungen, robusten Testphasen und aktiver Einbindung der lokalen Gemeinschaft.
connect professional: Wie reagieren Kund:innen auf robotergestützte Zustellmodelle. Gibt es erste Erfahrungen zur Akzeptanz?
Haas: Kunden haben positiv auf unser robotergestütztes Liefermodell reagiert. Die Menschen finden den Roboter oft lustig und faszinierend, und Kinder lieben ihn besonders. Diese Liefermethode befindet sich allerdings noch in einem frühen Stadium und ist auf eine kleine Anzahl von Lieferungen innerhalb eines Radius von 3 km um ausgewählte Foodora-Märkte beschränkt. Außerdem kann der Roboter keine Gebäude betreten, sodass Kunden ihre Bestellung draußen entgegennehmen müssen.
connect professional: Wie gelingt es Ihnen, Nachhaltigkeit mit den hohen Erwartungen an Geschwindigkeit und Verfügbarkeit zu vereinen?
Haas: Es ist definitiv ein Balanceakt. Wir wissen, dass Kund:innen eine Lieferung innerhalb einer Stunde erwarten – gleichzeitig achten viele aber auch darauf, wie diese Lieferung zu ihnen kommt und welchen ökologischen Fußabdruck sie hinterlässt. Wir messen daher aktiv unseren CO₂-Fußabdruck, insbesondere im Bereich der Auslieferungen – denn hier können wir als Plattform einen echten Unterschied machen. Als Teil von Delivery Hero haben wir uns der Science Based Targets-Initiative angeschlossen und richten unsere Strategie daran aus, die globale Erwärmung im Einklang mit dem Pariser Klimaabkommen zu begrenzen.
Ein zentraler Hebel dabei ist die Umstellung unserer Flotte. In Österreich ist die Foodora-Flotte bereits komplett emissionsfrei – wir setzen ausschließlich auf Fahrräder und Elektrofahrzeuge. In Schweden haben wir angekündigt, unsere gesamte Flotte bis 2027 elektrisch umzustellen. So kooperieren wir mit GoCiklo, um im Juni 40 neue E-Mopeds in Betrieb zu nehmen. Gemeinsam mit der Stadt Stockholm arbeiten wir außerdem an einem Projekt zum Ausbau der Ladeinfrastruktur.
Auch betriebsseitig setzen wir auf mehr Nachhaltigkeit: durch Routenoptimierung, die Reduktion von Leerfahrten, sowie die Zusammenarbeit mit lokalen Händlern, um Produkte näher am Wohnort der Kund:innen zu beziehen. Zusätzlich bieten wir intelligentere Lieferoptionen wie die Saver Delivery. Das ermöglicht es uns, Lieferungen zu bündeln und so Emissionen weiter zu senken.
connect professional: Welche Verantwortung tragen Plattformanbieter wie Foodora im Hinblick auf Arbeitsbedingungen, urbane Lebensqualität und gesellschaftliche Integration?
Haas: Foodora gestaltet urbanes Leben aktiv mit – durch Erschwinglichkeit, Vielfalt und Zeitgewinn. Wir helfen unseren Kund:innen, Zeit zu sparen: Weniger Aufwand für Kochen oder Einkäufe, mehr Zeit für Familie, Arbeit oder Erholung. Mehrfachbesteller sparen im Alltag bis zu 95 Minuten täglich. Unsere Fahrer:innen profitieren von flexiblen Arbeitsmodellen, die individuelle Lebensumstände berücksichtigen – etwa Studium, Familie oder berufliche Umorientierung. Restaurants konzentrieren sich auf das Kochen – wir übernehmen Logistik, digitale Sichtbarkeit und Reichweitenaufbau. Im Schnitt steigt das Bestellvolumen nach sechs Monaten um 51 Prozent. Maßnahmen wie Foodora PRO, Saver Delivery und Rabattaktionen tragen zusätzlich dazu bei, unsere Preisgestaltung attraktiv und stabil zu halten. Im März 2025 lag unser durchschnittlicher Preisanstieg mit 4,1 Prozent unter der allgemeinen Inflationsrate von 4,2 Prozent.
connect professional: Wagen Sie einen Blick voraus: Wie sieht die Delivery-Welt aus Ihrer Sicht in fünf bis zehn Jahren aus?
Haas: Ich denke, in fünf bis zehn Jahren wird sich Lieferung nicht mehr wie ein separater Service anfühlen, sondern ganz selbstverständlich Teil des Alltags sein. Intelligentere KI-Systeme werden einen Großteil der Arbeit übernehmen – von der Vorhersage dessen, was man brauchen könnte, noch bevor man selbst daran denkt, bis hin zur optimierten Zustellung in Bezug auf Zeitpunkt und Methode – über ein breites Angebot an Produkten und Leistungen hinweg.