Ob bei Netzqualität oder der Erfüllung von Kundenerwartungen – Künstliche Intelligenz kann in der Telekommunikationsbranche tiefgreifende Veränderungen bringen. Doch noch ist vieles Zukunftsmusik.
Kommunikationsdienstleister (CSPs) stehen vor der ständigen Herausforderung, Spitzenleistungen in ihren Netzen zu erreichen und aufrechtzuerhalten. Dabei müssen sie nicht nur kontinuierlich neue Technologien einführen, sondern gleichzeitig schwer lösbare Probleme in dicht bebauten Gebieten angehen und ländliche Regionen zuverlässig versorgen. Diese Aufgabe hat sich in den letzten zehn Jahren grundlegend verändert: Kundenerwartungen haben sich massiv weiterentwickelt – schnelle, personalisierte, nahtlose und jederzeit verfügbare Erlebnisse sind heute Standard und werden mehr oder weniger erwartet.
Der Schlüssel zur Bewältigung dieser Herausforderungen liegt im gezielten Einsatz Künstlicher Intelligenz (KI). Auch wenn sich KI in der Telekommunikationsbranche noch in einem frühen Stadium befindet und ihr volles Potenzial längst nicht ausgeschöpft ist, wird sie in den kommenden Jahren tiefgreifende Veränderungen mit sich bringen – vom Kundenservice über Verkehrsmanagement bis hin zur Netzsicherheit. Entscheidend ist, dass Unternehmen den Weitblick behalten, um die transformative Wirkung der Technologie zu erkennen und effektiv umzusetzen. Ebenso wichtig ist es, die richtige Strategie zur Nutzung von KI zu etablieren.
Schon heute zeigt sich das Potenzial von KI in der Optimierung der Netzleistung durch Echtzeitanalyse und Automatisierung. Der Trend geht dabei weniger in Richtung Flächendeckung, sondern zunehmend hin zur Perfektionierung bestehender Netze – was die Aufgaben für Netzbetreiber komplexer und vielfältiger macht. Besonders herausfordernd ist beispielsweise die Netzabdeckung in Ballungsräumen oder das Management von Netzkapazitäten bei Sport-, Musik- und Kulturveranstaltungen.
Hier setzt Künstliche Intelligenz an: KI-basierte Systeme analysieren riesige Datenmengen, erkennen Ineffizienzen und passen Ressourcen dynamisch an, um eine optimale Performance zu gewährleisten. Mithilfe von Machine-Learning-Algorithmen kann Netzüberlastung frühzeitig prognostiziert und der Datenverkehr automatisch umgeleitet werden – was zu höherer Effizienz, geringerer Latenz und einem insgesamt besseren Nutzererlebnis führen kann.
Zudem spielt KI eine zentrale Rolle bei der vorausschauenden Wartung, indem sie potenzielle Geräteausfälle frühzeitig identifiziert. Durch die Analyse historischer Daten und das Erkennen von Anomalien lässt sich vorhersagen, wann Netzkomponenten ausfallen könnten – was proaktives Eingreifen ermöglicht und Ausfallzeiten minimieren kann. Eine stabile Netzverbindung ist heute so selbstverständlich geworden, dass selbst kürzeste Störungen für Nutzer nicht akzeptabel sind – entsprechend wichtig ist es für CSPs, hier keine Abstriche zu machen.
Auch die gezielte Platzierung von Netzwerkkomponenten profitiert von KI. Ein zentraler Aspekt ist dabei das Kapazitätsmanagement in Echtzeit: KI hilft, die Netzbelastung vorherzusagen und Ressourcen gezielt zuzuweisen.
Über die Automatisierung hinaus ermöglicht KI auch einen proaktiven Kundenservice: Durch die Analyse von Nutzungsmustern können potenzielle Probleme identifiziert werden, noch bevor sie sich beim Nutzer bemerkbar machen. KI-Systeme erkennen Störungen, informieren Kunden automatisch und schlagen im Idealfall bereits Lösungen vor – bevor der Kunde überhaupt den Support kontaktiert.
Darüber hinaus kann KI die Personalisierung verbessern, indem sie Präferenzen analysiert und individualisierte Angebote erstellt. Diese Kombination aus Automatisierung, vorausschauender Analyse und Personalisierung soll ein nahtloses und reaktionsschnelles Kundenerlebnis ermöglichen.
Auch in puncto Sicherheit steigen die Erwartungen der Kunden: Erstklassige Cybersicherheitsstandards sind heute selbstverständlich. KI kann auch hier unterstützen, indem sie Cyberangriffe und betrügerische Aktivitäten mitunter frühzeitig erkennt. Dies geschieht über die kontinuierliche Analyse von Datenströmen und die Identifikation verdächtiger Muster – etwa bei Spam-Nachrichten, Phishing-Versuchen oder gefälschten Bewertungen. Intelligente Sicherheitssysteme können verdächtigen Datenverkehr in isolierte Bereiche umleiten, um potenzielle Bedrohungen genauer zu analysieren. Auch wenn selbstheilende Systeme denkbar sind, bevorzugen viele Netzbetreiber bislang die manuelle Kontrolle – vor allem aus Gründen der Verlässlichkeit.
Die Vorteile von KI in der Telekommunikation sind vielfältig und greifbar. Dennoch schöpfen viele Unternehmen das Potenzial noch nicht aus. Laut Lenovo-Studien ist die geplante Investition in KI in der EMEA-Region um 104 Prozent gestiegen – ein durchaus klares Zeichen für das wachsende Interesse. Doch viele Projekte bleiben hinter den Erwartungen zurück. Der häufigste Grund: Die Skalierung von KI ist bislang nicht gelungen.
Um KI erfolgreich zu implementieren, brauchen Telekommunikationsanbieter eine leistungsfähige Dateninfrastruktur. Denn KI ist nur so gut wie die Daten, auf denen sie basiert. Um das volle Potenzial zu erschließen, ist eine speziell entwickelte Edge-to-Cloud-Infrastruktur essenziell.
Zusammenfassend lässt sich sagen: Telekommunikationsunternehmen gelten heute als systemrelevante Infrastrukturanbieter – viele kritische Dienste basieren auf ihren Netzen. Mit Rechenzentren, Konnektivität und Sicherheitsstandards sowie der Einhaltung regulatorischer Vorgaben sind sie in einer idealen Position, um beispielsweise souveräne KI-Clouds für Regierungen und Unternehmen bereitzustellen.
Auch wenn Konnektivität ihr Kerngeschäft ist, reicht ihr gesellschaftlicher Beitrag weit darüber hinaus. Umso wichtiger ist es, dass Telekommunikationsanbieter das Potenzial von KI erkennen und gezielt ausschöpfen.
Chadie Ghadie ist Global Lead of Advanced Infrastructure Solutions bei Lenovo