Unweit vom besagten Journalisten-Home-Office in der Gegend, wo andere Urlaub machen, musste jüngst ein Hotel vorübergehend schließen – und das mitten in den deutschen Sommerferien. Der Grund: Das Hotelpersonal stammt überwiegend aus der Türkei, und diese Beschäftigten fahren in den Sommerferien zurück in die „Heimat“ – komme da, was wolle. Ersatz ist im leergefegten Personalmarkt des Hotel- und Gastronomiegewerbes nicht zu finden, also bleibt nur das Schild: „Vorübergehend geschlossen!“
Dieses Hotel könnte sich bald als der Hipster der deutschen Arbeitswelt erweisen: Laut dem Statistischen Bundesamt werden in den kommenden 15 Jahren rund 12,9 Millionen Erwerbstätige das Renteneintrittsalter erreicht haben – also rund 30 Prozent der im Jahr 2021 Berufstätigen. Dadurch dürfte sich die Lage am eh schon angespannten Arbeitsmarkt quer durch die Branchen nochmals erheblich verschärfen. Die Frage ist dann nicht mehr, an wie vielen Tagen pro Woche der Arbeitgeber seine Angestellten um sich geschart sehen möchte. Vielmehr lautet die wesentliche Herausforderung spätestens dann: Was kann ein Arbeitgeber tun, um die Beschäftigten in ihrer Produktivität, ihrem Engagement und ihrer Bindung an das Unternehmen zu fördern und unterstützen, wann und wo auch immer sie arbeiten möchten? Der Titel der MIT-Umfrage bringt dies auf den Punkt: „Die neue Arbeitswelt transformiert die alten sozialen Verträge“.
Hier kann es hilfreich sein, den Blick vom kleinen Karo abzuwenden und auf die große weite Welt zu richten: Remote Work bedeutet, wie „Future of Work“-Fachleute gerne betonen, dass Unternehmen im Prinzip geeignete Beschäftigte überall auf der Welt finden können – die geeigneten IT-Hilfsmittel, Prozesse, Sprachkenntnisse, Security-Mechanismen und Offenheit für Neues vorausgesetzt. Denn vielleicht will zum Beispiel der indische, tschechische oder (hier Land der Wahl einfügen) Programmierer ja gar nicht in die USA oder nach Deutschland auswandern und seine Familie zurücklassen, wenn er seine Arbeit ebenso gut remote von seiner Heimat aus erledigen kann.
Die nach zwei Jahren Pandemie verständliche Sehnsucht nach dem guten alten Vor-Corona-Büro droht mitunter, den Blick auf das Potenzial digital gestützter Arbeit zu vernebeln. Ob per GPS gesteuerte autonome Mähdrescher oder eine Kundenberatung im Baumarkt per Video-Chat und Smartphone-App, die den Weg zum Produkt weist: Die Futuristen der Arbeit nennen zahlreiche digitale Möglichkeiten, Arbeit und Zusammenarbeit vom Arbeitsort und überkommenen Produktionsweisen zu entkoppeln. Dank der fortschreitenden Digitalisierung werden es täglich mehr – auch wenn es an vielen Stellen noch hapert, während an anderen der Marketing-Hype wuchert, Stichwort: Metaverse.
Jetzt müsste die IT-Branche bloß noch einen Weg finden, wie das Hotelpersonal remote von der Türkei aus die Betten machen kann. Dann stünde einer glorreichen Zukunft der Arbeit nichts mehr im Weg.