Remote Work, KI und die Zukunft der Arbeit

Parallelwelten

2. März 2023, 7:00 Uhr | Dr. Wilhelm Greiner

Fortsetzung des Artikels von Teil 1

Dichter und Definierer

Fordert man die derzeit vieldiskutierte Konversations-KI ChatGPT auf, „Workation“ in zwei kurzen Sätzen zu definieren, erhält man eine präzise und zugleich nach echter Konversation klingende Antwort (siehe Bild unten; dort auf Englisch, ChatGPT kann aber auch Deutsch). Bittet man den Chatbot hingegen um einen Limerick zum Thema, so dichtet er:

„There once was a worker so wise,
Who decided to work in disguise,
With laptop and pen,
He took off again,
On a workation under the skies!“

OK, nicht die filigranste Pointe aller Zeiten, aber formal ein 1A-Limerick. Ohne mit der digitalen Wimper zu zucken, würde ChatGPT ebenso einen Essay zum Thema liefern, ein Shakespeare-Sonett, einen Rap-Text oder auch eine Ode der Sängerin Adele auf das Arbeiten am Strand. Kein Wunder also, dass ChatGPT für reichlich Wirbel sorgt, seit das Startup OpenAI Ende November 2022 die Beta-Version seiner auf Konversation trainierten KI öffentlich zugänglich machte: Generative KI – also eine KI, die nicht nur analysiert und Empfehlungen ableitet, sondern komplett neue Inhalte generiert – war in Gartners KI-Hype-Cycle vom Juli 2022 kurz vor dem Peak; nun hat sie offenbar das Gipfelkreuz erreicht.

Microsoft stockte laut Medienberichten jüngst seine Investition in OpenAI von einer auf zehn Milliarden Dollar auf. Zeitgleich integriert der Konzern die KI in eigene Produkte, von Teams bis zur Suchmaschine Bing: Diese soll dadurch viel hilfreichere Auskünfte geben als Google, zumal man – wie bei ChatGPT – zu einer Frage auch Anschlussfragen stellen kann. Anders als ChatGPT untermauert die Bing-KI ihre Ergebnisse mit Quellenangaben – wichtig bei einer Suchmaschine, zumal OpenAIs Chatbot mitunter „halluziniert“, sprich: sich Fiktives zusammenreimt und beherzt als Fakt ausgibt – auch bei Microsofts Präsentation der Bing-KI.

„Sprachmodelle erzeugen wahrscheinliche neue Zeichenketten auf Basis der Zeichenketten im Trainingsmaterial. Oft stimmen die so erzeugten Aussagen, selbst Rechenaufgaben kann man auf die Art lösen“, erläutert Aljoscha Burchardt, Principal Researcher am Deutschen Forschungszentrum für Künstliche Intelligenz (DFKI). „Wenn ich möchte, dass die erzeugten Aussagen wirklich stimmen, muss ich sie hinterher prüfen.“ Dies könne man automatisieren, indem die Systeme beispielsweise die generierten Aussagen mit anderen Wissensquellen wie Wikipedia oder Fakten-Datenbanken abgleichen. „Das kostet natürlich Zeit und Rechenleistung und damit Geld“, so Burchardt. „Wie weit man damit kommt, ist derzeit noch offen. Einen Basisfakt wie den Umsatz eines Unternehmens kann man eher leichter verifizieren, die Antwort auf die Frage, ob der Kapitalismus sich bewährt hat, wohl eher nicht so leicht.“

Google – anerkannter KI-Vorreiter, stammt doch aus Googles KI-Labor auch die Basisforschung zum Transformer (das „T“ in „GPT“) – hatte wohl nicht zuletzt aufgrund dieser spontanen Ausflüge der KI ins Reich der Phantasie lange gezögert, seine Suchmaschine auf generative KI umzustellen. Unter dem Druck des aktuellen ChatGPT-Hypes jedoch beeilte sich der Konzern, Vergleichbares zu präsentieren: Unter dem Namen Bard gibt es nun einen ChatGPT-Konkurrenten (der ebenfalls halluziniert, sogar in Googles eigener Bard-Werbung), und kürzlich stellte der Konzern Pläne vor, Google Search um interaktive KI zu ergänzen.

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ChatGPT kann in Wikipedia-Manier Begriffe kurz und knapp erklären ...
ChatGPT kann in Wikipedia-Manier Begriffe kurz und knapp erklären ...
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Die kompakten Ergebnisse (wenn sie denn verlässlich sind) könnten zusammen mit den Rückfragen, die eine Konversations-KI ermöglicht, die Informationsbeschaffung erheblich beschleunigen – manche Auguren sehen Bing schon Google den Rang ablaufen. Dabei ist allerdings die Beantwortung einer Frage in Google- oder Wikipedia-Manier nur eine Fingerübung im Vergleich zu dem, was generative KI alles kann – auch jenseits von Limerick, Sonett und Ode: Schüler*innen haben schnell das Potenzial für das Delegieren selbst komplexer Hausaufgaben erkannt, und im Web kursieren zahllose Beispiele für beeindruckende ChatGPT-Inhalte, vom Bewerbungsschreiben über Programmcode bis hin zu bestandenen Medizin- oder Wirtschaftsinformatik-Prüfungen.

.. oder auch einen Limerick über das jeweilige Thema  verfassen.
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Hinzu gesellen sich Deep-Learning-basierte Text-zu-Bild-Generatoren wie Dall-E 2 (ebenfalls aus dem Hause OpenAI) oder dessen Open-Source-Alternative Stable Diffusion, die gemäß schriftlichen Nutzervorgaben (Prompts) Bilder erzeugen. Google Translate und DeepL wiederum liefern auf Knopfdruck Übersetzungen in hoher Qualität. Kurz: Generative KI dürfte die Arbeitswelt so grundlegend revolutionieren wie zuvor nur der Mainframe, der PC, das Internet, das Smartphone und das Katzenvideo.


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  2. Dichter und Definierer
  3. Arbeiten und arbeiten lassen

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