Der Begriff „Edge“ ist dabei weiter gefasst, als es auf den ersten Blick scheint, wie Nispel ausführt: „Edge ist ein relatives Thema: Wo ist der Edge? Die Linux Foundation hat ein Edge-Projekt, in dem die unterschiedlichen Ebenen definiert sind: Cloud Edge, Service Provider Edge, Enterprise Edge – und da gibt es auch wieder unterschiedliche Stufen. Bei einer Paneldiskussion auf unserer Extreme Connect kürzlich in Berlin wurde gesagt: ‚Edge ist wie das Universum nach dem Urknall, es expandiert immer weiter.‘ Der Edge wird immer näher zum User kommen.“
Extremes Edge-Konzept soll dabei nicht nur mit garantierter Datensouveränität, sondern auch mit geringerer Latenz punkten: Man könne „Compute-Aufgaben näher und näher am Endgerät realisieren, zum Beispiel Bilderkennung von einer vernetzten Videokamera. Dadurch hat man wesentlich geringere Latenzzeiten“, so Nispel. Seine Prognose: „Alles, was niedrige Latenz erfordert, wird sich zum Edge verlagern. Das entwickelt sich aber jetzt erst als Markt, wir stehen da noch am Anfang einer sehr langen Reise.“
Diese Reise muss nicht unbedingt direkt ans Fließband, in den Keller eines Krankenhauses oder den Server-Raum einer Behörde führen: „Wir bieten eine ‚As a Service‘-Experience, aber die Daten bleiben vor Ort, sei es im Unternehmens-RZ, bei einem Colocation-Provider oder – was wir sehr stark kommen sehen – von einem MSP-Partner (Managed Service Provider, d.Red.) in der Region.“ Damit, so verspricht Nispel, erhalte ein Anwenderunternehmen „das Beste aus beiden Welten“.
Wolkenhimmel plus Sonneninsel
Die Überfahrt zur Edge-Insel gestaltet sich wie folgt: „Der Kunde oder Partner kauft dafür bei uns ein erweiterbares High-End-Server-System namens Universal Compute Platform oder UCP“, erklärt Nispel. „Hier spielt dann unser Cloud-Operations-Team über Kubernetes die Software ein, überwacht sie und versorgt sie unterbrechungsfrei mit Updates.“ Alle Applikationen seien Cloud-nativ und Micro-Service-basiert. Die Kommunikation der Micro-Services laufe über sauber definierte APIs, für Management und Skalierung nutze man Kubernetes.
Anfangs ist ExtremeCloud Edge eine rein proprietäre Extreme-Lösung. Das soll aber laut Nispel nicht so bleiben: „Unser Ziel ist es, dass mittelfristig auf einer UCP nicht nur unsere eigenen Applikationen, sondern auch andere von Drittanbietern laufen können, zum Beispiel Security-Anwendungen.“ Zu diesem Zweck will Extreme künftig den Support auf zertifizierte Lösungen aus dem Partnerökosystem ausweiten.
UCP ist ein Standard-19-Zoll-Rack-Server. Es gibt – zumindest derzeit – keine gehärtete Variante für Industrieumgebungen. „Aber die Automobilzulieferer unter unseren Kunden zum Beispiel nutzen auf ihrem Campus Edge-Rechenzentren, speziell gehärtete Server sind hier also nicht erforderlich“, beruhigt Nispel.
Die Softwarelizenzen für die Edge-Instanzen sind laut dem Extreme-Mann identisch mit denen für die Public-Cloud-Variante: „Hinzu kommen hier lediglich die Kosten für die Hardware und eine Obolus für den Cloud-Betrieb.“ Extreme Networks biete zudem Finanzierungen an.
ExtremeCloud Edge soll ab Sommer 2023 für „ausgewählte Partner“ verfügbar sein. Anfang 2024 will der Netzwerkausrüster dann die Tore für die Allgemeinheit öffnen. Inselkette as a Service, sozusagen.