funkschau: Wie weit ist die Entwicklung der Künstlichen Intelligenzen schon vorangeschritten?
Siepmann: Bezogen auf die Unternehmenskommunikation ist die Technologie schon in vielen Bereichen einsetzbar. Die größten Lücken ergeben sich sicherlich aus der generellen Komplexität von Sprache, aber auch aus den in den Unternehmen benutzten Fach-Terminologien. Watson KI beispielsweise bietet bereits zahlreiche APIs und vortrainierte Dienste für viele Berufsgruppen und Anwendungen, aber sie sollten dann eben auch genutzt werden. Dies ist meist dann nicht der Fall, wenn zu viele unterschiedliche Dienste mit wenig Integration und unterschiedlichem Training angeboten werden. Ebenso muss natürlich beachtet werden, dass ein KI-System – selbst wenn es vortrainiert ist – immer nur so gut sein kann, wie die Daten, auf denen es basiert.
funkschau: Was letztlich die langfristigen Ziele für die Technologie? Soll die KI am Arbeitsplatz ein multifunktionaler digitaler Assistent werden oder soll das System nur punktuell unterstützen?
Siepmann: Welches Ziel verfolgt wird, muss das Unternehmen definieren, das die KI einsetzen möchte. Aus Herstellersicht wird sicherlich versucht, nicht nur punktuell zu assistieren, sondern ganze Abläufe und Prozesse zu unterstützen und – wo immer möglich – auch zu automatisieren. Entscheidend aber ist, dass der Mensch nicht durch die Technik ersetzt werden soll, mit Ausnahmen wie in der Robotik, – sondern es vielmehr darum geht, seine Fähigkeiten und sein Wissen zu erweitern oder zu ergänzen.
Ein schönes Beispiel ist Aironair.de – ein Künstler der zusammen mit einem neuronalen Netzwerk Bilder malt. Die KI kennt seinen Stil, er kann beschreiben, was er möchte und bekommt Inspirationen. Die KI interpretiert und schlägt Neues vor, bis etwas entsteht, das der Künstler als „sein Werk“ bezeichnen würde. Eine künstliche Intelligenz als Muse.
funkschau: Ganz unkritisch ist der Einsatz einer multifunktionalen KI sicherlich nicht. Inwieweit darf sie beispielsweise direkt in die Kommunikation eingreifen und Nachrichten priorisieren? Besteht nicht die Gefahr, dass sich der Mitarbeiter bevormundet fühlt?
Siepmann: Das ist eine Frage, die sich das Unternehmen stellen muss und hängt sicherlich auch von der jeweiligen Unternehmenskultur ab. In den USA oder Singapur gibt es deutlich weniger Berührungsängste als in Europa oder speziell in Deutschland. Technisch geht schon recht viel, aber eben mit der Gefahr, dass Benutzer das System dann ablehnen und/oder ihre eigenen Regeln definieren, bis zu welchem Grad die Maschine mitreden darf.
Wichtig ist, dass der Benutzer die Hilfe einer KI annehmen möchte und weiß, welche Unterstützung er bekommen kann. Da im Arbeitsalltag ein großer Teil der zu beantwortenden E-Mails eher als Belastung und nicht als wertvolle Arbeit empfunden wird, steht zu erwarten, dass KI hier eine wertvolle Erleichterung darstellt und für Benutzer eher positiv gesehen wird.