Für Trends wie das Internet of Things ist der Glasfaserausbau essenziell, doch dabei geht es nur schleppend voran. Ein Kommentar.
Es hätte so schön sein können: Bereits Anfang der 80er Jahre gab es in der Bundesrepublik Bestrebungen, ein flächendeckendes Glasfasernetz zu errichten. Die Strategie war beschlossene Sache, erste Testnetze gab es bereits, sie hörten auf die schmissigen Namen „BigFon“ und „BigFern“. Lassen Sie diese Vorstellung kurz kreisen: Wäre der Plan umgesetzt worden, hätte Deutschland heutzutage eine dicht ausgebaute Glasfaserinfrastruktur, die im internationalen Vergleich ihresgleichen suchen würde. Sicherlich gab es damals noch einige Schwachstellen der Technologie, und doch ermöglichte BigFern bereits Geschwindigkeiten von 280 Mbit pro Sekunde. Der erste Schritt in Richtung einer tatsächlichen Gigabit-Gesellschaft.
Warum 2018 ein Großteil der Daten immer noch durch Kupfer wandert, es nach wie vor weiße Flecken auf der Breitband-Landkarte gibt und lediglich sieben Prozent (Stand 2017) der Haushalte laut einer Erhebung der Bertelsmann Stiftung über einen Glasfaser-Anschluss verfügen, während beispielsweise Estland fast drei Viertel der Bürger mit den schnellen Leitungen versorgt? Die Regierung Kohl kassierte den Ausbau-Beschluss, nachdem es zu massiven Widerständen von Lobbyverbänden und aus anderen Parteien kam. Eine der ersten von vielen fragwürdigen Entscheidungen der Politik in Hinblick auf die technologische Zukunft Deutschlands, die dem hiesigen Netz heute lediglich einen Platz im internationalen Mittelfeld verschafften und dazu führten, dass der Europäische Rechnungshof kürzlich daran zweifelte, ob Deutschland das EU-weite Ziel einer flächendeckenden Geschwindigkeit von einem Gigabit pro Sekunde bis 2025 erreichen könne.
Aus für ISDN
Die damalige Absage an Glasfaser war auch eine Entscheidung für ISDN. Dessen Kapazitäten sah man als vollkommen ausreichend an. Einige Jahrzehnte später steht jedoch das Aus für ISDN vor der Tür: eine nachvollziehbare Entscheidung der Telekom. Auch wenn der Netzstandard für die Sprachtelefonie hervorragende Dienste geleistet hat, führt er in eine technologische Sackgasse. Der Betrieb, der aufgrund rarer Ersatzteile und einer waschsenden Störanfälligkeit immer teurer wird, frisst Ressourcen, die an anderer Stelle viel dringender benötigt werden: für den Breitbandausbau.
Dass es im Zuge der ISDN-Umstellung trotz dieser Argumente zu viel Kritik aus dem Markt kam, war nicht zuletzt dem Umstand geschuldet, dass das IP-Netz für manches Unternehmen noch nicht die nötigen Kapazitäten bietet, um einen qualitativ hochwertigen parallelen Betrieb von Internet, Cloud-Diensten und eben VoIP zu gewährleisten. Hier muss so schnell wie möglich die erforderliche Infrastruktur geschaffen werden, um nicht nur für den jetzigen, sondern auch für den Datenverbrauch der Zukunft gerüstet zu sein. Denn der soll sich laut IDC bis 2025 auf 163 Zettabyte mehr als verzehnfachen.
Nicht gerüstet
Für diese Entwicklung, für technologische Trends wie das Internet of Things und für die zunehmende Verschiebung vieler Daten in die Cloud ist das Kupfernetz nicht gerüstet – selbst mit Vectoring und Supervectoring. Dass der Glasfaser-Ausbau dennoch nur schleppend vorangeht, mutet wie ein Déjà-vu an, erinnert an den Fast-Moment der 1980er Jahre. Ob es sich bei Vectoring um eine gerechtfertigte oder unnötige Brückentechnologie handelt, sei dabei umstritten, wie die Bertelsmann Stiftung im Rahmen der Vorstellung ihrer Breitband-Erhebung im Mai 2017 erklärte. „Im Ergebnis führt die Genehmigung der Vectoring-Strategie aber zu einem deutschen Sonderweg und verhindert einen konsequenten Glasfaser-Ausbau“, bemängelte Kirsten Witte, Kommunalexpertin der Stiftung. Darüber hinaus kritisieren die Autoren: Unambitionierte Ziele, eine fehlende gesamtstaatliche Strategie, unkoordinierte Förderprogramme und fehlender Mut konsequent auf Glasfasertechnologien zu setzen, sind die Hauptursachen für das Hinterherhinken Deutschlands beim Ausbau des Glasfasernetzes. Hinzu komme der fehlende Wettbewerb.
Die Stiftung empfiehlt daher eine stärkere Einbindung der Länder und Kommunen. Dass der Ausbau aber mittlerweile nicht mehr nur Sache der Netzbetreiber ist, zeigt ein kürzlich im Handelsblatt veröffentlichter Bericht. Demnach wollen sich zusehends Energiekonzerne wie Innogy, EnBW und Eon des Themas annehmen. Innogy beispielsweise plant, die Investitionen in den Bereich zu verdoppeln. Aber auch die Telekom will laut eigenen Angaben Gas geben. Ab 2021 sei geplant, jährlich zwei Millionen Haushalte direkt mit Glasfaser anzuschließen, zuvor soll der interne Schwerpunkt bereits immer stärker von Vectoring hin zu Glasfaser verschoben werden.
Dass der Prozess jedoch so lange hinausgezögert wurde, dass der Ausbau zwar anrollt, aber nur langsam, könnte zusehends problematisch für die deutsche Wirtschaft werden. Je mehr digitale Prozesse in die Unternehmen Einzug halten, umso mehr wird eine schnelle Internet-anbindung zum Wettbewerbsvorteil. Der Zweifel des EU-Rechnungshofs am Erreichen der gemeinsamen Ziele spricht eine klare Sprache und auch Spiegel-Kolumnist Sascha Lobo lässt kein gutes Haar an der hiesigen Strategie: „Die deutsche Breitband-Infrastruktur ist der Berliner Flughafen des Internets.“