Die Nachfragte nach Datenbrillen für Servicetechniker hat durch die Reisebeschränkungen einen kräftigen Schub erfahren. Der US-Anbieter Realwear konnte seine Verkaufszahlen deutlich steigern und sieht noch jede Menge Potenzial im deutschen Markt. Der soll über den IT-Channel adressiert werden.
AR- oder Datenbrillen sind schon lange auf dem Markt. Viele denken dabei aber an Produkte wie Microsofts Hololens oder VR-Brillen, die Gamer in virtuelle Welten eintauchen lassen.
Praxisbezogene Anwendungsmöglichkeiten quer über fast alle Branchen bieten intelligenten Datenbrillen, wie sie Realwear anbietet. Das US-Unternehmen entwickelt seit 2016 “Head Mounted Tablets" für sogenannte Frontline Worker. „Wir sind keine Hololens, unser monokulares Produkt unterstützt Techniker“, erklärt Michael Krämer, der als Regional Director German das deutsche Realwear-Team leitet, im Gespräch mit ICT CHANNEL.
Im Prinzip handelt es sich dabei um auf dem Kopf tragbare Computer mit integrierter Kamera und Headset, die sich freihändig per Sprache steuern lassen. Die Android-basierten Geräte sind staub-, druck- und wasserresistent. Techniker im Außeneinsatz, etwa auf Bohrinseln, Windrädern oder Telefonmasten haben so die Hände frei und können sich über die Brille Dokumente wie Baupläne oder Wartungsanleitungen einblenden lassen Auch Experten lassen sich per Video dazuschalte.
Einen wahren Schub haben die „Head-Mounted Tablets“ seit dem letzten Jahr in der Corona-Ausnahmesituation bekommen, wie Krämer berichtet.
Denn während der Lockdowns waren viele Firmen noch mehr darauf angewiesen, für Wartung und Reparaturen ihre Mitarbeiter vor Ort aus der Ferne zu unterstützen. „Ausfallzeiten reduzieren war das große Thema letztes Jahr. Alle hatten Panik, ihre Service Level nicht erfüllen zu können“, berichtet Krämer
Allein 40.000 Endgeräte hat der Anbieter vergangenes Jahr verkauft und damit den Absatz vervielfacht. Und das sei erst der Anfang, meint Krämer. Denn auch nach dem Ende der Einschränkungen gebe es jede Menge Einsatzmöglichkeiten für die Datenbrille. Schließlich gebe es 40 Millionen sogenannte Frontline Worker in Europa und nur 80 Prozent seien bislang digital verknüpft. „Wir glauben, dass wir gerade einmal fünf Prozent des Potenzials ausgeschöpft haben“.
Große Automotive Hersteller wie BMW oder Continental setzen das Realwear-Produkt „HMT 1“ schon ein. Auch eine explosionsgeschützte Variante namens „HMT-1Z1“ ist im Angebot. Die größten Wachstumschancen sieht Krämer aber im deutschen Mittelstand und speziell in starken Branchen wie dem Maschinenbau. Hier sei das größte Thema die Reduzierung der Maschinenausfallzeiten. Denn das koste richtig Geld, wenn der Monster-Braunkohlebagger von Thyssen Krupp in Sibirien stehe oder die Zeitungsdruckmaschine im fernen Malaysia.
Über die Datenbrille kann der Techniker vor Ort eine Fehleranalyse und erste Schritte zur Fehlerbehebung angeleitet durchführen. Das spart Zeit und Geld, etwa in Form von Reisekosten. „Unser Einstiegsgerät liegt bei einem Preis von 2.500 Euro netto UVP. Da kommt ein Linienflug nach Fernost oft schon teurer“, betont Krämer. Ein wichtiges Verkaufsargument sei zudem der Klimaaspekt: Weniger Reisen helfe den Firmen dabei, ihre CO2-Ziele zu erreichen.