Seinen schlechten Ruf als unsichere Alternative zur Bargeld- oder Kartenzahlung konnte Mobile Payment hierzulande bisher noch nicht hinter sich lassen. Nicht so in vielen Entwicklungs- und Schwellenländern in Afrika, Asien und Lateinamerika.
Die Verbreitung von internetfähigen Mobiltelefonen und eine fehlende „traditionelle“ Infrastruktur sind ein Nährboden für innovative Geschäftsmodelle. Sie fördern die kreative Nutzung von Mobilkommunikation und mobiler IT. Eine Entwicklung, die auch Industrienationen frische Ansatzpunkte bietet.
Kein Internetzugang – das ist in der westlichen Hemisphäre mittlerweile nur noch schwer vorstellbar. Die überwältigende Mehrheit der weltweit mehr als drei Milliarden Internetnutzer stammt aus Industrienationen. Doch gerade eines der technologischen Flaggschiffe dieser Länder – das Smartphone – ist es, was den Startschuss zur IT-Aufholjagd der Schwellenländern gab. Laut dem Telekommunikationsunternehmen Cisco sind Nationen aus dem Nahen Osten und Afrika die stärksten Wachstumsfaktoren für das globale mobile Datenvolumen: Dort stieg die Mobildatennutzung 2015 um 117 Prozent an, gefolgt von 83 Prozent im asiatisch-pazifischen Raum und 73 Prozent in Südamerika. Zum Vergleich: Westeuropa und Nordamerika verzeichneten ein Plus von lediglich 55 Prozent. Dabei generierten der Nahe Osten und Afrika monatlich über 294.000 TByte. Für 2019 prognostizieren Experten für diese Region ein monatliches Datenaufkommen von 2,8 Exabyte, welches dann bereits Westeuropa (zwei Exabyte) übertreffen würde. Smartphones machen davon den absoluten Löwenanteil aus und erzeugen mehr Daten als PCs, Tablets und andere Mobiltelefone zusammen.
Mobile Dienste erobern den Alltag
Mithilfe von Smartphones haben Schwellenländer aus der Not eine Tugend gemacht: Wo Industrienationen auf ein gut ausgebautes drahtgebundenes Kommunikationsnetz zurückgreifen können, fehlt dieses weltweit in vielen Regionen. Weite Distanzen und mangelnde finanzielle Mittel verhindern den Aufbau einer vergleichbaren Infrastruktur. Festnetzdienste kosten nach Berechnungen der International Telecommunication Union rund fünf Prozent oder mehr des durchschnittlichen Pro-Kopf-Einkommens vieler Schwellenländer und sind für Regierungen und Einwohner nicht bezahlbar. Mobilfunkdienste kommen auf lediglich ein bis vier Prozent – schon aus wirtschaftlicher Sicht eine einfache Wahl.
Mobile Dienste aus allen Bereichen des Lebens – wie Banking und Handel, Transport, Bildung und Gesundheit – haben folglich den Alltag erobert. In Nigeria bekommen Schüler in entlegenen Regionen mit dem Dienst „Pre-Class“ online Nachhilfe. In Indonesien vermittelt ein Unternehmen via Smartphone Mitfahrgelegenheiten auf Motorrädern und Rollern. Die sind angesichts der Dauerstaus in asiatischen Metropolen äußerst gefragt: Das „Uber für Zweiräder“ kann bereits 11.000 lizenzierte Fahrer vorweisen. Es sind gerade diese „Sharing“-Dienste, die sich in Schwellenländern großer Beliebtheit erfreuen und die ohne Mobilkommunikation undenkbar wären. Mobile Technologie verschafft Nutzern aller Bevölkerungsschichten Zugang zu einer ganzen Reihe innovativer Geschäftsmodelle und gibt ihnen gleichzeitig die Tools, sich selbst in der nationalen Ökonomie einzubringen. Ein prominentes Beispiel für eine fortschrittliche mobile Geschäftsidee im Finanzsektor ist das deutsche Start-up Awamo, das in Afrika Mikrokredite anbietet. Die Nutzer können den gesamten Vorgang vom Kreditangebot bis zur Rückzahlung digital abwickeln. Dadurch entfallen einerseits hohe Transaktions- und Bearbeitungskosten. Andererseits sind Kreditnehmer nicht auf Bankfilialen angewiesen – vor allem in ländlichen Regionen sind diese schwer erreichbar. Auch fehlende Ausweispapiere – in vielen afrikanischen Ländern ein weit verbreitetes Problem – stellen keine Schwierigkeit mehr dar: Die Identitätsprüfung erfolgt über biometrische Verfahren. Auf diese Weise will das Unternehmen aus Frankfurt die Hürden beseitigen, mit denen sich viele potenzielle Kleinunternehmer und Farmer in Afrika konfrontiert sehen, sobald sie ein Darlehen aufnehmen möchten. Wo große Distanzen und mangelnde Transportmöglichkeiten die direkte Kontaktaufnahme mit einer Bank oder Hilfsorganisation erschweren, bietet mobile IT passende Lösungen für die Einwohner.
Mobile Payment ist deshalb mittlerweile ein fester Bestandteil der afrikanischen Wirtschaft und macht den Kontinent zum Innovationsführer in diesem Segment. Zum Vergleich: Bereits 2012 wurden in Afrika allein im Juni 224,2 Millionen Mobiltransaktionen durchgeführt, deutlich mehr als der monatliche Transaktionsdurchschnitt von Paypal (196,3 Millionen), deren Service mittlerweile in rund 200 Ländern weltweit verfügbar ist. Nur fünf Jahre zuvor wurde einer der erfolgreichsten Handy-Bezahlanbieter „M-Pesa“ in Kenia eingeführt. Das Kooperationsprojekt von Vodafone und Safaricom, einer kenianischen Mobilfunkfirma, kann mittlerweile über 20 Millionen Nutzer in Kenia, Tansania, Kongo und Südafrika vorweisen und bewegt monatlich Transaktionen im Gesamtwert von fast einer Milliarde Euro. Mit der Ausweitung des Services nach Rumänien und Albanien ist der Dienst seit 2014 auch erstmals in Europa verfügbar.