Angesichts der massiven Vorteile, die Mobiltelefone den Einwohnern von Schwellenländern bieten, ist es nicht verwunderlich, dass sich die Mobilfunkbranche zu einem immer wichtigeren Wirtschaftsfaktor in diesen Nationen entwickelt. Die internationale Mobilfunkvereinigung GSM Association (GSMA) prognostiziert den Beitrag der Branche zum Bruttoinlandsprodukt von Ländern südlich der Sahara für 2020 auf ein Gesamtvolumen von 214 Milliarden Dollar. Zwei Drittel davon entfallen auf Produktivitätssteigerungen, die von den besagten Mobile Services angetrieben werden. Diese Wirtschaftsschübe schlagen sich auch in den Arbeitsplatzzahlen und Steuerzahlungen nieder: Schon 2015 beschäftigten Mobilfunkunternehmen und ihre verknüpften Wirtschaftsbereiche 3,8 Millionen Menschen und zahlten umgerechnet 17 Milliarden Dollar an Steuern.
Bei solchen Zahlen wird auch der öffentliche Dienst aufmerksam. Der GSMA zufolge erwägen immer mehr Regierungen die Einführung einer „digitalen ID“, um Bürgern über mobile Services den Zugang zu staatlichen Leistungen wie Weiterbildung oder medizinischen Diensten, beispielsweise Ferndiagnosen, zu vereinfachen. Das größte Hindernis für die erfolgreiche Umsetzung solcher großangelegten Pläne liegt bisher für viele Schwellenländer im Aufbau einer leistungsstarken Breitband-Mobilfunkinfrastruktur. Nur 24 Prozent der Bevölkerung von Subsahara-Afrika haben Zugang zu mobilen Internet-Services. In mehr als der Hälfte dieser Region (57 Prozent) gibt es bisher keinerlei 3G- oder 4G-Unterstützung. Doch auch für den Infrastruktur-Aufbau greifen Service Provider auf das bewährte „Sharing“-Modell zurück: Die gemeinsamen Anstrengungen können den Ausbau leistungsstarker Netze forcieren, sofern die entsprechenden Regierungen die notwendigen Mittel zur Verfügung stellen.
Lektionen für den Westen
Bereits heute lassen sich aus den genannten Beispielen wertvolle Erkenntnisse für westliche Länder ableiten. So ist erfolgreiches Wirtschaften im Digitalisierungszeitalter nicht nur von ausgefeilten technischen Infrastrukturen abhängig. Vielmehr ist es entscheidend, die Anforderungen von Nutzern und potenziellen Kunden schnell zu erkennen und mit innovativen Produkten und Services zu bedienen. Agile IT, Marktkenntnis und effiziente Entwicklungs- und Vertriebsprozesse zeichnen einen aussichtsreichen digitalen Akteur aus.
Während Afrika diese Entwicklung im Mobile Payment vormacht,treten in Industriestaaten junge Fin-Tech-Unternehmen in Konkurrenz zu etablierten Finanzdienstleistern. Auch dabei ist das Smartphone der Dreh- und Angelpunkt, in dem Funktionen wie Girokontoverwaltung, -einrichtung oder unkomplizierte Überweisungen zusammenlaufen. Das Thema Mobile Payment wird jedoch vor allem in Deutschland noch stiefmütterlich behandelt und stößt auf Hürden wie App-Bindung, Internet-zwang und das Verbinden mit einem Bankkonto im Hintergrund. Verglichen mit Tansania, wo mobile Zahlungen fast ein Drittel des BIP ausmachen, besteht für Deutschland noch erheblicher Nachholbedarf.
Wolfram Jost ist CTO der Software AG