Intelligente Städte sollen das Leben ihrer Bewohner vereinfachen. Um die Entwicklung solcher Städte voranzutreiben, braucht es einen Wandel von der reinen Erfassung von Daten hin zur Verarbeitung, Analyse und Reaktion. Dafür werden vor allem Künstliche Intelligenz und Edge Computing wichtig.
Eine Stadt, die eigenständig denkt. Eine Stadt, die dafür sorgt, dass Lieferungen zuverlässig ankommen, den Verkehr automatisch umleitet, damit Rettungsfahrzeuge ihr Ziel besser erreichen, und die sogar vermisste Haustiere mit ihren Besitzern zusammenführt. Das sind die Versprechen der nächsten Generation von Smart Cities, auch Cognitive Cities genannt.
Die ersten Smart Cities konnten Informationen erfassen, aber nicht darauf reagieren. Cognitive Cities sollen dazu in der Lage sein. Der Schlüssel sind Sensoren und Edge-Computing-Server, die in den Straßen verteilt sind. Bei vielen der zukünftigen Smart Cities wird es sich um sogenannte „Greenfield“-Projekte handeln, also komplett neue Lebensräume, die von Grund auf als smarte Stadt geplant sind. Alles soll mit Sensoren ausgestattet werden, angefangen von Straßenlaternen bis hin zu Mülltonnen. Für die Bewohner dieser Städte soll Edge Computing echte, messbare Verbesserungen bringen – vom sofortigen Finden von Parkplätzen bis hin zur Senkung der Energiekosten mithilfe von vorausschauender Intelligenz.
Bevor eine Cognitive City geschaffen werden kann, muss die Rechenleistung an den Ort der Datenerzeugung verlagert werden. Dort, wo Menschen leben, arbeiten und reisen, muss es eine entsprechende Infrastruktur geben. Das gilt sowohl für den Bau einer völlig neuen Smart City als auch für die Nachrüstung von Technologien in einer bereits bestehenden Stadt. In beiden Fällen ist Edge Computing der Schlüssel. Es muss möglich sein in Echtzeit auf Informationen von Sensoren in Mülleimern, Abflüssen und Kameras in Ampeln zu reagieren, um beispielsweise Wasserprobleme zu beheben oder Einsatzkräfte an den Ort eines Verkehrsunfalls zu schicken.
In heutigen Smart Cities liegt der Fokus nach wie vor auf der Erfassung von Daten – sei es zur Überwachung von Verkehrsschwerpunkten oder um Wasserlecks zu suchen. In den kommenden Jahren wird die Stadt selbst dynamisch auf die sich verändernde Welt reagieren, indem sie beispielsweise die Verwendung von Energie in Echtzeit an das Wetter anpasst.
Die Weiterentwicklung des Monitorings erfolgt auf Grundlage von Machine-to-Machine-Kommunikation, wobei die Verbreitung des Internets der Dinge (IoT) und nun auch der Künstlichen Intelligenz (KI) einen entscheidenden Beitrag dazu leisten, dass intelligente Technologien dynamischer werden. Aufkommende KI-Technologien wie Large Language Models werden in Zukunft ebenfalls eine Rolle spielen. So könnten sie es Stadtplanern und Bewohnern erleichtern, mit der Stadt zu interagieren.
Hierfür ist der Netzwerkrand entscheidend - die Rechenleistung wird auf die Straßen selbst verlagert werden. Diese Entwicklung ist Teil einer breiteren Verlagerung, die analoge Einweg-Sensoren wie Verkehrs- oder Rauchsensoren durch intelligente Technologie ersetzt, die Daten generiert.
In solchen Smart Cities soll die Technologie darauf ausgerichtet sein, auf menschliche Bedürfnisse zu reagieren. Nachhaltigkeit ist eines der größten Probleme, dem Städte gegenüberstehen, – und mit zu den größten Verursachern gehört das Auto. Smart Cities können die Entwicklung hin zu weniger Verkehr und zu autonomen und geleiteten Fahrzeugen ermöglichen. Ein Beispiel dafür sind Lieferungen, die direkt beim ersten Mal erfolgreich sind. In einer Cognitive City können Standortdaten, die zeigen, wann ein Kunde zu Hause ist, anonym mit Zustellunternehmen geteilt werden – mit dem Einverständnis der Kunden –, damit mehr Lieferungen beim ersten Versuch ankommen.
Intelligentes Parken kann eine weitere wichtige Möglichkeit sein, Staus zu reduzieren und die Straßen effizienter zu gestalten. Edge-Knoten erkennen dabei freie Parkplätze und leiten Autos in Echtzeit dorthin. Sie werden außerdem ein Schlüsselfaktor für das autonome Fahren sein, indem sie autonomen Fahrzeugsystemen mehr Datenpunkte liefern. Die Kommunikation erfolgt hier zunächst von Fahrzeug zu Fahrzeug und anschließend vom Fahrzeug zur Infrastruktur.
Edge Computing kann auch dazu beitragen, Ersthelfer schneller zum Einsatzort zu bringen. Die intelligente Infrastruktur einer Stadt kann einen Brand in einem Gebäude durch visuelle Sensoren erkennen und einen Alarm auslösen. Rettungsdienste werden alarmiert und eine KI kann die sicherste und schnellste Route zur Einsatzstelle vorab konfigurieren und gegebenenfalls andere Fahrzeuge umleiten.
Videoaufnahmen dienen nicht mehr nur der Beobachtung, sondern bieten ein Situationsbewusstsein für alles – angefangen bei überquellenden Mülleimern bis hin zu Verkehrsbewegungen. Intelligente Kameras können zum Beispiel dabei helfen, verlorene Haustiere wieder mit ihren Besitzern zusammenzubringen, indem eine KI die Tiere identifiziert, während sie zwischen den Kameras hin- und herwechseln.
Dabei sollte in jeder Smart City der Schutz der Privatsphäre an erster Stelle stehen. Daten sollten nicht bloß um der Datensammlung willen aufgezeichnet werden, sondern vielmehr, um eine Verbesserung der gebotenen Dienstleistungen zu ermöglichen. Wenn Bürger Stadtplanern ihre Informationen anvertrauen, müssen sie einen Mehrwert zurückbekommen.
Des Weiteren kann Edge zur Nachhaltigkeit im eigenen Zuhause beitragen. Smart Homes sind der Lage die Anwesenheit von Personen zu erkennen und schalten die Klimaanlage erst aus, wenn niemand mehr daheim ist. Mit Sensoren und Künstlicher Intelligenz, die dies vorhersagen, könnten entsprechende Geräte bereits prädiktiv heruntergefahren werden, bevor jemand das Haus verlässt – was noch mehr an Strom spart. Ähnlich könnte es in öffentlichen Gebäuden passieren: Aktivitäten in Gebäuden werden in Echtzeit ausgewertet, sodass der Energieverbrauch an den Bedarf angepasst werden kann.
Cognitive Cities könnten außerdem Augmented-Reality-Erlebnisse bieten, die Menschen mit Seh- oder Hörbehinderungen helfen. Mithilfe von Large Language Models können diese Text-zu-Sprache oder Sprache-zu-Text-Übersetzungen liefern. Auch hier wird Edge der Schlüssel sein: Wenn eine sehbehinderte Person eine Straße überqueren muss, zählen Millisekunden. Die Datenverarbeitung kann nicht den Umweg über ein Rechenzentrum machen, sondern muss direkt vor Ort stattfinden.
Wenn eine Smart City von Grund auf gebaut wird, geht es zunächst um eine Vielzahl von Rechenknoten, die über die ganze Stadt verteilt werden. Das erfordert Planung. Diese Knoten müssen Teil der bebauten Umgebung sein, zum Beispiel in Straßenlaternen, Stromkästen oder versteckt an öffentlichen Gebäuden. Jedes Gerät hat außerdem unterschiedliche Anforderungen an Kühlung und Latenzzeit, was es unmöglich macht, einfach einen PC in einen Schrank zu stellen. Stattdessen müssen diese Geräte viel effektiver integriert werden, sodass sie weniger sichtbar, aber dennoch für den Servicetechniker leicht zugänglich sind. Und selbst wenn eine Nachrüstung notwendig ist, gibt es immer noch verschiedene Möglichkeiten die Rechenleistung vor Ort zu verlagern.
In Städten wie Barcelona, London oder Paris gibt es eine Vielzahl von Verteilerkästen, die entweder Mobilfunk- oder Telekommunikationsdienste anbieten – oder sogar Zugang zu Wasser. Servicetechniker können sie so anpassen, dass sie mit dem Netz interagieren. So könnten Datenzentren der künftigen Cognitive Cities aussehen.
Paul Höcherl, Produkt Manager bei Lenovo ISG