Im internationalen Vergleich liegt Deutschland beim intelligenten Ausbau der Stromnetze noch zurück. Woran das liegt und welche Rolle Telekommunikationsunternehmen wie Telefónica bei der Modernisierung spielen können, erläutert Sven Koltermann, Leiter Energy M2M bei Telefónica Deutschland, im Interview.
m2mXpert: Herr Koltermann, wo steht Deutschland beim intelligenten Ausbau seiner Energienetze?
Sven Koltermann: Wenn es um die intelligenten Messstellen Smart Meters geht, liegen wir ziemlich weit hinten. Länder wie Schweden, Italien und Großbritannien liegen deutlich vor uns und erreichen teilweise eine Verbreitung von 80 Prozent und mehr. Bei uns hängt der Prozess der Modernisierung noch in der Gesetzgebung fest.
m2mXpert: Woran liegt das?
Koltermann: Im Wesentlichen gibt es dafür zwei Gründe: Zum einen haben wir in Deutschland einen wirklich liberalisierten Markt mit sehr vielen Versorgungsunternehmen und Netzbetreibern, vom kleinen Stadtwerk bis zum internationalen Konzern. Wenn wir die Vorteile der Modernisierung voll ausspielen wollen, müssen sie alle mitmachen. Und zum anderen sind wir in Deutschland sehr sensibel, was Sicherheit und Datenschutz angeht. All diese Belange zu berücksichtigen, hat lange gedauert.
m2mXpert: Aber gerade wegen möglicher Datenschutzbedenken hat der Bundesrat noch einmal Änderungen gefordert.
Koltermann: Das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik, kurz BSI, hat die Richtlinien für Sicherheit und Datenschutz im Smart Metering erarbeitet. Damit setzen wir in Deutschland weltweit den höchsten Standard. Wir bewegen uns in etwa auf dem Niveau der Gesundheitskarte, bei der es um weit sensiblere Daten geht.
m2mXpert: Andere kritisieren die Kosten für die neuen Smart Meter und den geringen bis fehlenden Nutzen für die Verbraucher.
Koltermann: Smart Meter senken nicht per se die Kosten. Insofern erscheint die Kritik auf den ersten Blick berechtigt. Aber bei Smart Meters bleibt die Modernisierung der Energieversorgung ja nicht stehen. Sie schaffen Transparenz über den Energieverbrauch. Wer seinen Verbrauch analysiert, kann durchaus Einsparpotenziale entdecken. Volkswirtschaftlich sind Smart Meter aber wichtig, damit die Energiewende in Deutschland gelingen kann. Sie sind bedeutender Bestandteil eines intelligenten Steuerungssystems, in dem der Stromverbrauch auf die sich ändernde Stromerzeugung durch erneuerbare Energien abgestimmt werden kann.
Echte finanzielle Vorteile können Verbraucher erreichen, wenn die Energieversorger flexiblere Stromtarife anbieten, bei denen der Strompreis zu starken Erzeugungszeiten sinkt. Dann können Verbraucher zur Zeit des preiswerteren Stroms beispielsweise Wäsche waschen oder ihr Elektroauto aufladen. Andere Länder machen uns bereits vor, dass das funktioniert.
m2mXpert: Wie gut sind denn die Energieversorger auf den Smart Meter-Roll-out vorbereitet?
Koltermann: Da sehen wir große Unterschiede. Einige Energieversorger arbeiten sehr intensiv an dem Thema, testen die Technik und investieren in die Modernisierung. Andere warten ab. Mit der Digitalisierung durchdringt die IT auch die Energieversorgung. Sich darauf einzustellen, ist eine große Herausforderung.
m2mXpert: Welche Rolle spielt dabei Telefónica?
Koltermann: Wir sehen uns als Partner der Energieversorger. In diese Partnerschaft bringen wir nicht nur unsere Kommunikationsnetze ein, die das Rückgrat für die intelligente Messung und Steuerung von Energieproduzenten und -verbrauchern bilden. Vielmehr verfügen wir über große Erfahrung im Energy-Markt, gerade auch im Smart Meter-Roll-out: In Großbritannien hat Telefónica den weltweit bislang größten derartigen Auftrag erhalten. Dort sollen alle Haushalte flächendeckend über Smart Meter an die Versorgungsnetze angeschlossen werden. Telefónica realisiert davon rund zwei Drittel. Das umfasst etwa 23 Millionen Kommunikationsmodule.
m2mXpert: In Deutschland sollen zunächst nur die größeren Energieverbraucher und Stromproduzenten über Smart Meter angebunden werden. Bringt das nicht Probleme mit sich?
Koltermann: Wir versprechen da nicht das Blaue vom Himmel. Das Thema Konnektivität am Stromzähler ist nicht banal. In einer bundesweiten Studie haben wir ermittelt, wie gut die reale Erreichbarkeit von Stromzählern per Mobilfunk ist. Das Ergebnis: Nur rund 75 Prozent der Messstellen haben eine ausreichende Mobilfunkversorgung. Wir brauchen deshalb ergänzende Kommunikationstechnologien. Bereits im vergangenen Jahr haben wir dafür Mesh-Netze vorgestellt, die sich über die Smart Meter-Gateways selbst organisieren und die Daten zum Mobilfunknetz weiterreichen. In diesem Jahr stellen wir eine Ergänzung vor, bei der die Mobilfunklücke per Datenübertragung über das Stromnetz realisiert wird. Smart Meter Connect von Telefónica arbeitet per Powerline und sorgt so für die zuverlässige Kommunikationsanbindung.